Die Macht der Weiblichkeit

Bühnamit spielt „Selbstbefriedung“

Sechs Paare, sechs Beziehungen – die bald ganz ohne Sex stattfinden. Kaum zu glauben, aber genau das ist das Thema der gut 2000 Jahre alten griechischen Komödie „Lysistrata“ von Aristophanes. Die freie Dresdner Theatergruppe „Bühnamit“ hat aus diesem Stück, bei dem Die Frauen per Sexentzug letztlich vor allem den Krieg stoppen wollen, nun mit „Selbstbefriedung“ – nicht Selbstbefriedigung! – ihre ganz eigene, moderne Lesart entworfen und auf die Bühne (Fotomontage: PR) gebracht.

So sind diese sechs Paare in der Inszenierung von Moritz Greifzu und Vivien Woltersdorf zunächst in ganz alltäglichen Situationen zu sehen: Beim Schachspiel, beim Hausputz, nach dem Sex oder beim leidenschaftlichen Wiedersehenskuss. Sie sind erstaunlich heutig diese Pärchen – der Krieg, der die Männer früher band und für jede Beziehung ungreifbar machte, hat hier nun ganz verschiedene Gesichter. Da ist ein ständig arbeitender Macho, dort ein Ehemann, dem schnell mal die Hand ausrutscht, da der Gatte, der seiner Frau nur über den Rand der Frühstückszeitung beim Putzen zusieht, oder der wilde Liebhaber.

Sie alle trifft die plötzliche Abstinenz ihrer Damen wie ein unerwarteter Blitzschlag. Machtlos wie sie sind, drohen die Männer zu verzweifeln, sie diskutieren, tun laut hämmernd ihren Unmut kund, versuchen zu verführen und beißen bei der holden Weiblichkeit doch auf Granit. Ganz allmählich wird so aus dem früheren Staats- ein handfester Ehestreit, der jeweils in den unterschiedlichen Farben dieser verschiedenen Beziehungskonstellationen gemalt ist. Dabei tun die Frauen hier eigentlich nichts anderes als die Männer: Sie führen Krieg, nur eben mit den Waffen einer Frau – der später auch zum Zickenkrieg ausufert.

Der Sexentzug, so zeigt sich bald im Wechsel von streitenden, schmollenden, verzweifelten und verbissenen Gesten, macht auch heute sicher nichts besser, aber alles anders. Zu schwach sind beide Geschlechter, die am Ende schließlich noch weniger ohne als miteinander leben können. Aus dem antiken Stück wird so auf amüsante, kurzweilige und doch auch tiefsinnige Weise eine moderne Parabel auf die Emanzipation der Frau – mit allen ihren Vor- und Nachteilen. Denn selbst die mitbestimmende, selbstbewusste Frau bleibt im Herzen doch immer auch Weib.

So ist das Experiment Sexentzug am Ende vor allem für jene geglückt, die es mutig auf die Bühnen der Stadt holten: Das Ensemble von Bühnamit übersetzt die Vorlage von Aristophanes in seiner achten Inszenierung keck ironisch in die Gegenwart, sodass sich jeder mit einem Schmunzeln im Gesicht auch ein Stück weit selbst darin wiederfinden kann. Man kennt sie ja irgendwie diese Beziehungskisten. Vielfältig und mit Liebe sind diese Stereotypen gestaltet – doch genau das macht sie hier so lebendig und wunderbar komisch in ihren Handlungsweisen.

Nicole Czerwinka

Bühnamit: „Selbstbefriedung“, wieder am 19.06. und 20.06., 20 Uhr im Projekttheater sowie am  21.06. und 25.06., 19 Uhr im Kreuzgymnasium

Linktipp: www.bühnamit.de

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