Die Lady ist zurück in Dresden!

Die Staatsoperette Dresden zeigt „My Fair Lady“ im Kraftwerk Mitte

Nein, „My Fair Lady“ ist nicht bloß ein Musical. In Dresden ist die Geschichte um das Blumenmädchen Eliza Doolittle und den Phonetik-Professor Henry Higgins durchaus ein wenig legendär. Mit Marita Böhme und Peter Herden in den Hauptrollen hat das Stück 1965 an der Staatsoperette Dresden einst Theatergeschichte geschrieben und brachte es auf 446 Vorstellungen in 13 Jahren. Erst 2000 wagte man sich an eine Neuauflage, die mit Tom Pauls und Böhmes Tochter Jessica Glatte bis 2015 erneut 163 Mal gespielt wurde. Im Kraftwerk Mitte läutet der Regisseur Sebastian Ritschel nun abermals eine neue Ära für das Stück (Fotos: Stephan Floß) ein und verleiht der Story von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe nach George Bernhard Shaws „Pygmalion“ opulent modernen Charme.

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Jazz-Party in der Traumfabrik

Die Operette bringt mit „Wonderful Town“ das New York der 30er Jahre ins Kraftwerk

Von Dresden nach New York träumte sich die Staatsoperette bereits in ihrem Neujahrskonzert 2016. Zehn Tage vor Silvester wurde diese verheißungsvolle Sehnsucht nach der Neuen Welt nun mit der ersten Musicalpremiere im Kraftwerk Mitte ein Stück weit eingelöst. Intendant Wolfgang Schaller und Regisseur Matthias Davids haben sich dazu auf die Suche nach dem Besonderen begeben – und ein bislang in Deutschland kaum gespieltes Werk gefunden, das Leonard Bernstein 1953 als Liebeserklärung an seine Heimat New York komponierte: „Wonderful Town“ erzählt die typisch amerikanische Geschichte der Schwestern Eileen und Ruth, die aus dem provinziellen Ohio in die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten kommen, um ihr Glück zu finden.

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Revuen, die das Leben schreibt

Catch Me If You Can

Jannik Harneit als Frank Abagnale

„Catch Me If You Can“ an der Staatsoperette Dresden

Das muss man erst mal schaffen: Eine Schadenssumme in Höhe von rund 2,5 Millionen US-Dollar hat der Amerikaner Frank William Abagnale (*1948) als Jugendlicher in den 60er Jahren mit Hochstapelei verursacht. Als Pilot, Arzt und Anwalt gab er sich aus – und betrieb in diesen Rollen Scheckbetrug im großen Stil. Zum Dank dafür wurde er zum Protagonisten in Steven Spielbergs Film „Catch Me If You Can“ (2002) mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks in den Hauptrollen. Sieben Jahre später schrieben Terrence McNally, Marc Shaiman und Scott Wittman das passende Musical zum Film. An der Staatsoperette Dresden (Fotos: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) feierte dieses nun deutsche Erstaufführung.

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Die Faszination einer Diktatorin

Evita an der Staatsoperette Dresden

Olivia Delauré ist Evita Peron.

„Evita“ an der Staatsoperette Dresden

Sie ist so streitbar wie schillernd, diese Eva Duarte. Als Mädchen einer armen argentinischen Familie sicherte sie sich früh die Gunst der Männer in einflussreichen Positionen und stieg an der Seite des Generals Juan Perón zur First Lady des Landes auf. Dort wird sie bis heute nahezu wie eine Heilige verehrt. Es ist wohl schwer zu sagen, ob die Sucht nach Ruhm oder tatsächlich der Wille, etwas für die armen Menschen im Lande zu tun, sie antrieb. Doch trotz oder wegen aller Ambivalenz rückten Andrew Lloyd Webber und Tim Rice diese Eva Perón 1974 ins Rampenlicht ihres Musicals „Evita“, das 1987 an der Staatsoperette Dresden seine Erstaufführung in der DDR feierte. Regisseur Winfried Schneider hat es nun in einer Neuinszenierung zurück auf die Leubener Bühne geholt.

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Florentinischer Liebesreigen

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Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette

Der Komponist Kurt Weill (1900-1950) ist wohl vor allem für die „Dreigroschenoper“ (1928) bekannt. Die Staatsoperette schenkt Dresden zum Saisonstart nun die europaweit erste szenische Aufführung seiner Broadway-Operette „Viel Lärm um Liebe“ (1945, Original: „The Firebrand of Florence“). Und diese ist ganz anders, als das, was man gemeinhin von Weill so kennt. Die Musik klingt wie aus einem Revuefilm der 50-Jahre, die Melodien sind schwärmerisch, fast schwelgend, die Texte (Ira Gershwin, Deutsche Fassung: Roman Hinze) oft keck und frech. Wer das Stück sieht, dem wird schnell klar, warum man Weill gern vorwirft, er hätte nach seiner Emigration nach Amerika die ernsthafte Musikgattung gegen die sogenannte niedere, sprich: unterhaltsame getauscht.

Mit der Inszenierung von Holger Hauer lädt die Staatsoperette ihr Publikum nun dazu ein, sich ohne diese Vorurteile mit dem deutsch-amerikanischen Gesamtwerk Kurt Weills auseinanderzusetzen. Und Hauer macht die Operette zu dem, was sie jenseits des großen Teiches sicher auch einmal war: ein kunterbuntes, bilderreiches Spektakel aus dem Reiche der unbekümmerten Unterhaltung, das hier oft filmisch und märchenhaft, manchmal auch überladen und etwas derb daherkommt.

Die Handlung (Buch: Edwin Justus Mayer) basiert sehr frei auf den Memoiren des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini (1500-1571), dessen Werke bis heute leibhaftig in Florenz herumstehen, und der im Stück zur Hauptfigur wird. Cellini ist ein geschwätziger Gernegroß und Frauenheld. Im Auftrage des Herzogs von Florenz meißelt er eine große Statue nach dem Bild der schönen Angela, doch soll er aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils mehrfach in der Operette hingerichtet werden. Miljenko Turk gibt diesen sprunghaften Künstler voller Energie und singt seine Partie zur Premiere trotz Erkältung in einem angenehmen Duktus.

Seine zweifache Begnadigung verdankt dieser Cellini in erster Linie den Frauen, denn auch die Herzogin hat ein Auge auf den smarten Bildhauer geworfen. Elke Kottmair erscheint in der Rolle dieser eher kühlen, berechnenden Medici, die nur auf das Eine aus ist, wie eine überzeichnete Comicfigur. Mit blauen Haaren, pelzbesetztem Mäntelchen, silbernem Rock (Ausstattung: Christoph Weyers) und ihrem gehässig grausamen Lachen ist sie die exzentrische Lady im Stück. Ganz anders dagegen die bescheidene, schöne Angela im weißen Kleid, die sich wahrhaftig in Cellini verliebt. Olivia Delauré ist eine reizende, anfangs fast zerbrechlich wirkende Angela, die mit ihrer zarten, in den Höhen angenehm perlenden Stimme sowohl in Arien als auch Duetten überzeugt.

Kein Wunder, dass der Herzog, Alessandro von Medici, wiederum mit der Gunst dieses jungen Bildhauermodells liebäugelt und Angela kurzerhand aus Cellinis Atelier entführt. Bryan Rothfuss verleiht dem selbstgefälligen bis narzisstischen Neurotiker im langen schwarzen Pelz eine gehörige Portion Komik und bewegt sich auch stimmlich auf hohem Terrain. Unter der Leitung von Andreas Schüller lässt das Orchester der Staatsoperette Dresden die Weill-Partitur dazu mit Schwung und dem für das Stück gebührenden Pathos wiederauferstehen.

Ballett und Chor der Staatsoperette (Chor: Thomas Runge, Choreografie: Christopher Tölle) machen die europäische Renaissance dieser Revue auf der Leubener Bühne wunderbar komplett. So geht es durch opulente Bühnenbilder also hin und her, von der fröhlich wuselnden Galgenszene am Beginn, über Cellinis helles Bildhaueratelier, zur überaus grünen Spielwiese des Herzogs und seiner Frau, bis nach Paris, wo schließlich – Wie sollte es anders sein? – das versöhnliche Happy End auf Cellini und Angela (Foto: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) wartet.

Alles in allem also doch ganz schön viel seichte Unterhaltung, die hier serviert wird. Ab und an gewürzt mit ein paar unnötigen Albernheiten, von der platten Übersetzung der Vorlage ins Deutsche mal ganz abgesehen. An manchen Stellen wünscht man sich schlicht etwas weniger der bunten Fülle. Dennoch gedeiht dieser deutsch-amerikanische Operettenabend mitten in Dresden am Ende zu einem fulminanten Spektakel, das den Spielplan des Hauses gekonnt um eine echte Broadway-Operette ergänzt und das Wissen der Zuschauer um eine Weill-Facette erweitern möge. Schon allein deshalb ist dieser florentinische Liebesreigen doch durchaus sehenswert.

Nicole Czerwinka

Kurt Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 5. und 6. November sowie am 18. und 19. Dezember und 28., 29. Januar, jeweils um 19.30 Uhr

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