Opernposse ohne Narren

Verdis „Falstaff“ am Kleinen Haus

Nein, selbstverständlich ist es wahrlich nicht, mit studentischen Stimmen eine Oper von Giuseppe Verdi zu inszenieren. Anlässlich des diesjährigen Doppeljubiläums 200 Jahre Wagner-Verdi wagte Andreas Baumann, der Leiter der Opernklasse an Dresdens Musikhochschule (HfM), für seine letzte Inszenierung dieses Experiment dennoch. So gipfelte die diesjährige Kooperationsarbeit der Dresdner Hochschulen für Musik (HfM) und Bildende Künste (HfBK) nun in einer bunt trubelnden Aufführung von Verdis letzter Oper „Falstaff“ (1893), die am Sonnabend (25.5.) im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele am Kleinen Haus Premiere feierte.

Die lyrische Komödie in drei Akten (Libretto: Arrigo Boito) ist ein drolliges Stück, das auf William Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ basiert, musikalisch allerdings längst nichts mehr mit der dramatischen Getragenheit von Verdis bekannten Opernschlagern gemein hat. Für die Hochschulkooperation übernahm daher der renommierte Kammersänger Matthias Henneberg die schwierige Titelpartie des Falstaff – und setzte mit seinem herrlich voluminösen Bariton einige Glanzpunkte des Abends. Der Rest blieb – sowohl gesanglich als auch gestalterisch – den Studenten der beiden Dresdner Kunsthochschulen überlassen, die der Herausforderung von Stoff und Partitur mit einer soliden, in den folgenden Vorstellungen sicher aber noch steigerbaren, Leistung trotzten.

Verdis letztes Opernwerk ist ein selbstironisches Stück, das die Entwicklung der Menschlichkeit jenseits bürgerlicher Konventionen hinterfragen will. Der ehrlose, aber ehrliche Falstaff wird dabei in allerlei Eifersuchtshändel verwickelt, die ihm die vermeintlich ehrvolle Bürgerschaft – allen voran die Weiber von Windsor – schließlich rückwirkend zum Verhängnis macht. Fern ab dieser Gesellschaft tauschen Nannetta und Fenton auf Wolke sieben jungverliebte Küsse, bis sie sich in altbekannter Opernlist, natürlich gegen den Willen von Nannettas Vater, doch das Jawort geben. Die Moral der Geschicht’ erteilt Verdi ganz am Ende musikalisch-vieldeutig: „Der Mensch ist ein Narr.“

Die beiden Bühnen- und Kostümbildnerinnen Sabine Mäder und Martina Lebert (HfBK) haben zu der mit Intrigen und zwischenmenschlichen Fallstricken vollgepackten Handlung eine moderne, sehr wandelbare Theaterkulisse mit hin- und herziehbaren Tafeln entworfen, auf der das über allen schwebende Liebespaar gen Himmel fliegt und der selbstgefällige Lebemann Falstaff sich immer wieder in sein dickes rettendes Schlauchboot zurückziehen kann. Die Figuren agieren in zeitlos gegenwärtigen Kostümen, statt einer Armee holt am Ende des zweiten Aktes gar eine Horde Footballspieler zum Hahnenkampf aus. Das alles macht die eher verworrene Handlung zu einem kunterbunten, komisch-kurzweiligen, jedoch erstaunlich klar strukturierten Opernabend, dem es zu keiner Zeit an Spannung mangelt.

Gesanglich ist das Premierenlampenfieber beim studentischen Ensemble (Foto: PR/Hans-Ludwig Böhme) zwar noch hin und wieder zu spüren, unter der Leitung von Ekkehard Klemm, der das Hochschulsinfonieorchester mit gewohnter Ruhe und Souveränität durch die Falstaff-Partitur führt, verklingen die kleinen Unsicherheiten jedoch nahezu ungehört im bunten Bühnentrubel. Unter den Solisten vermag es vor allem Gunyong Na in der Rolle des eifersüchtigen Ford mit seinem stimmgewaltigen Bariton zu überzeugen. Auch Jelena Josic gibt mit ihrem weichen, klaren Sopran eine wundervolle Nannetta und vereint sich mit Jaesig Lee als Fenton zu zauberhaften Liebesduetten im Stil des Bellcanto.

So ist das Experiment am Ende doch geglückt. Für Andreas Baumann ist dieser „Falstaff“ sicher ein zufriedenstellender Anfang vom Ende seiner 21-jährigen Arbeit als Leiter der HfM-Opernklasse. Als Regisseur realisierte er in „fruchtbarer Zusammenarbeit mit jungen, kreativen und motivierten Gesangsstudenten“ in dieser Zeit eine Reihe solcher jugendlich-frischen Operninszenierungen. Baumann war es auch, der die Kooperation von HfM und HfBK, teils auch mit der Palucca-Schule, initiiert sowie die nunmehr seit 2005 währende Zusammenarbeit mit dem Staatsschauspiel Dresden ins Leben gerufen hat. Wer ab dem kommenden Wintersemester sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Aber eines ist sicher: Die studentischen Opernproduktionen im Kleinen Haus mögen Dresden auch weiterhin erhalten bleiben.

Nicole Czerwinka

Verdi „Falstaff“ am Kleinen Haus, wieder am 29.5., 19.30 Uhr; 2.6., 16 Uhr; 8.6., 14.6. und 22.6. je 19.30 Uhr

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Lustiges Intrigenspektakel

„Die Hochzeit des Figaro“ am Kleinen Haus

Die Dresdner Hochschulen für Musik (HfM) und Bildende Künste (HfBK) verbünden sich in diesem Jahr für eine gemeinsame Aufführung von Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“ am Kleinen Haus Dresden. Herausgekommen ist dabei eine erfrischend lebendige Inszenierung, die nicht nur mit den Repertoire-Vorstellungen der großen Häuser mithalten kann, sondern gleichzeitig das 20. Jubiläum der HfM-Opernklasse markiert.

Dabei sind die Themen Revolution und die damit verbundene Forderung nach Gleichheit und Brüderlichkeit, die Mozarts Oper bei der Uraufführung 1786 in Wien zu einem skandalumwitterten Stück machten, jenseits der Musik heute nur noch schwer auf der Bühne einzufangen. In ein ironisches Spiel aus Verkleidung und Intrigen verpackt, verschwimmen in „Le nozze die Figaro“ schließlich die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Ständen.

In der Inszenierung von Andreas Baumann verkehren Herr und Knecht nun ihre Rollen auf einem angeschrägten, goldenen Parkett unter feudalem Prachtkronleuchter. Agathe Mac Queen (Studentin der HfBK) hat dieses eher funktionale, jedoch symbolisch klar durchdachte, Bühnenbild entworfen, das im dritten und vierten Akt zu einem Schlachtfeld der Revolution wird, in dem Stühle kippen und Kostüme getauscht werden. Vor dieser Kulisse gewinnt die junge „Figaro“-Interpretation nach dem gemeinhin eher faden ersten Akt bald schnell an Fahrt, wobei die Gegensätze von Adel und Bediensteten hier zu einer Gegenüberstellung moderner Luxusmenschen und Otto-Normal-Bürger karikiert werden.

Die Sänger – alle samt Mitglieder der HfM-Opernklasse – rackern sich dabei nicht bloß stimmlich an der Partitur ab, sondern bringen auch dank ihrer Spielfreude die ganze Ironie und Komik des Stückes auf die Bühne. Vor allem Lindsay Funchal präsentiert eine musikalisch wie darstellerisch facettenreiche Susanna, die mit der kräftigen Stimme ihres Figaro (Allen Boxer) wunderbar harmoniert. Auch Gunyong Na als Graf Almaviva und Eunhye Lim als Gräfin gehören zu den großen Stimmen des Premierenabends. So wird, was Mozart in seiner überzeitlichen Musik – spannungsvoll interpretiert vom Hochschulsinfonieorchester unter der Leitung Ekkehard Klemms – einst angelegt hat, von den Studenten gelungen ins Heute übersetzt.

Dresden, Kleines Haus „Die Hochzeit des Figaro” wieder am 4.5., 17.5., 24.5., 30.5. jeweils 19 Uhr

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