Melancholie und Unsterblichkeit

Heute ist Erich Kästners 40. Todestag

Am 29. Juli jährt sich Erich Kästners Todestag zum 40. Mal. Sein Erbe in Dresden ist unverkennbar: Das Denkmal (Foto: Josefine Gottwald) sitzt auf der Mauer am Albertplatz, wo Kästner oft gehockt haben soll, als er „ein kleiner Junge war“; die ehemalige Villa von Kästners Onkel Franz Augustin beherbergt heute das Literaturbüro und das Erich Kästner Museum und ist in Dresden einer der zentralen Punkte für literarische Veranstaltungen.

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Packende Verfolgungsjagd

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Herbstauslese: „Schüsse auf die Staatsanwältin“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Kai Leuner: „Schüsse auf die Staatsanwältin“

So spannend war Dresden selten. Kai Leuner zeigt die Stadt in seinem Debütroman „Schüsse auf die Staatsanwältin“ (2008) von ihrer düsteren, ja sogar blutigen Seite. Im Mittelpunkt seines Thrillers steht die ehrgeizige junge Staatsanwältin Manja Koeberlin. Gleich in ihrem ersten großen Fall hat sie Anklage gegen einen skrupellosen Drahtzieher des organisierten Verbrechens erhoben, gerät dabei aber bald selbst in den Fokus seines Rachefegefeuers.

Denn der Angeklagte Petras Valkunas ist nicht nur skrupellos, sondern auch äußerst gerissen. Zunächst droht er der Staatsanwältin mitten in der Verhandlung mit Mord, dann flüchtet er aus dem Gerichtssaal und hält schließlich die gesamte Dresdner Justiz auf Trab. Als er wenig später auch noch den Kronzeugen im Verfahren umbringen lässt, beginnt für die junge Frau ein Kampf um Leben und Tod und für die Behörden ein Wettlauf mit der Zeit.

Leuner schickt seine Leser dabei zusammen mit den Hauptfiguren auf eine rasante Verfolgungsjagd quer durch die Stadt, die hier ganz und gar nicht im romantischen Licht der schönen Barockbauten schimmert, sondern eher von den kriminellen Schattenseiten einer Großstadt aus beleuchtet wird. Schüsse fallen – so viel darf ruhig verraten werden – dabei nicht nur auf den Kronzeugen und die Staatsanwältin, die immer und immer tiefer in den Strudel des Verbrechens eintaucht.

Auch der Leser kann sich dem Sog dieser packenden Kriminalgeschichte bald nicht mehr entziehen. Seite um Seite, Kapitel um Kapitel entspinnt sich die Handlung hin zu immer neuen Verwicklungen und Höhepunkten. Vom Landgericht Dresden aus führen die Fallstricke des Bösen die Figuren bis nach Gorbitz, Reick, das Universitätsviertel und natürlich in die Dresdner Innenstadt. Und obwohl keine der handelnden Personen so wirklich sympathisch ist, fiebert man allzu bald mit in diesem ebenso spannenden wie schockierenden Dresden-Krimi.

Kai Leuner gestaltet die Handlung seines Erstlingsromans erstaunlich authentisch, erzählt prägnant und überzeugt mit einer angenehm lebendigen Schreibweise. Der 39-Jährige arbeitet in Dresden selbst als Staatsanwalt mit dem Spezialgebiet Wirtschaftsstrafsachen. Zudem war er als Journalist tätig. Der Kriminalroman „Schüsse auf die Staatsanwältin“ ist der erste von insgesamt drei Dresden-Thrillern aus Leuners Feder, die im Prolibris-Verlag erschienen sind: im Jahr 2009 folgte „Kardinalfehler“, 2010 dann „Jagd auf den Anwalt“.

Linktipp: www.kai-leuner.de

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Dresden im napoleonischen Würgegriff

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Christine Fischer: „Elisa und der Schatten Napoleons“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Christine Fischer: „Elisa und der Schatten Napoleons“

Elisa, die Enkeltochter des Pirnaer Apothekers Heinrich Tilla, wächst behütet, wenn auch ohne Vater, auf. Als 1806 Napoleon in Sachsen einmarschiert, zieht es Elisa nach Dresden. Sie heiratet und ist mit ihrem Leben zufrieden. Doch wie die anderen Bürger Dresdens auch leidet sie unter den Einquartierungen und Abgaben an die vermeintlichen Verbündeten. Dennoch ist sie bereit, Hunger und Krankheit zu trotzen und versucht, zu helfen, wo sie kann. Bis ihr Ehemann Alois 1812 von der französischen Armee eingezogen wird, Napoleon auf seinen Russlandfeldzug begleiten muss und nicht zurückkehrt. Elisas Welt liegt in Trümmern.

Die Dresdner Autorin Christine Fischer wirft in ihrem historischen Erstlings-Roman „Elisa und der Schatten Napoleons“ den Blick nicht auf den Kaiser und seine Schlachten, sondern darauf, wie sich die kaiserlichen Truppen als Verbündete aufführten. Denn der Kaiser hielt seine sächsischen Verbündeten mit eiserner Hand im Würgegriff. Anschaulich beschreibt Fischer, wie die Dresdner Bevölkerung unter den französischen Truppen litt. Die Bürger wurden gezwungen, Soldaten in ihren Wohnungen aufzunehmen und zu verpflegen. Nahrung wurde rationiert und die hygienischen Verhältnisse waren schlecht. Inmitten dieses Chaos findet Hauptfigur Elisa ihren Weg, sie besitzt medizinische Kenntnisse und hilft in Krankenhäusern aus. Auch als Hebamme lässt sie sich ausbilden. Dabei trifft sie bei einer Reise nach Leipzig auch den Mediziner Carl Gustav Carus.

Elisa ist eine starke Frau, die von schweren Schicksalsschlägen gebeutelt ist, aber dennoch bereit, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Zuweilen wirkt sie etwas abgehoben, beinahe hochnäsig. Dennoch hat Fischer mit ihr einen starken Charakter geschaffen, der vor allem in der zweiten (Dresdner)-Hälfte zutiefst sympathisch ist.

Fischers Schreibstil ist lebhaft und sehr anschaulich. Auf den ersten Seiten des Buches wirkt er aber noch etwas ermüdend, denn sie holt schon sehr weit aus, um Elisas Geschichte zu erzählen. Doch wer hier dranbleibt, wird mit einer spannenden und auch lehrreichen Erzählung belohnt. Gerade die Jahre 1806 bis 1813 sind großartig recherchiert und ohne Künstelei präsentiert. Die Beschreibungen sind detailreich und lassen einen ungewöhnlich lebhaften Blick auf die Bevölkerung Dresdens und auch Leipzigs zu. Napoleon tritt mehrfach selbst in Erscheinung, aber ist vor allem durch seine französischen Truppen präsent.

Wer glaubt, nach den ersten Seiten des Romans eine seichte Geschichte vor historischem Hintergrund in seinen Händen zu halten, der wird alsbald eines Besseren belehrt. Nicht wenige, nach Angaben der Autorin, belegte und zum Teil sehr drastische Szenen des Alltags lässt sie geschickt einfließen. Da stockt einem schon mal der Atem. Trotz aller Genauigkeit und Ernsthaftigkeit erdrückt das Buch nicht. Im Gegenteil, ihr flüssiger Schreibstil gewährt Lesevergnügen in einem Ritt und auch der Humor kommt dabei nicht zu kurz.

Janine Kallenbach

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Last Man standing

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Herbstauslese: „Feldwebel I – Die elfte Plage“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Frank Goldammer: „Feldwebel I – Die elfte Plage“

Der dritte Weltkrieg ist vorbei, in Dresden legt sich der Rauch und hinterlässt nichts als Trümmer. Doch Feldwebel verteidigt noch immer sein Land, seine Regimetreue ist alles, was ihm geblieben ist. An seinen Namen kann er sich nicht mehr erinnern, sein Leben ist der Krieg geworden. Auf der Suche nach Wasser, Vorräten – und Menschen – kämpft er sich durch die Ruinen seiner Stadt, begleitet nur von den Stimmen der gefallenen Kameraden in seinem Kopf. Aber er findet weder Feinde noch Verbündete; irgendwann kommt ihm die verrückte Idee, dass es außer ihm vielleicht gar keine Überlebenden gibt.

Als er schließlich auf Menschen trifft, lauert überall die Gefahr: Unheimliche Geräusche in der Nacht, mysteriöse Verfolger und tiefe menschliche Abgründe prägen die raue Atmosphäre, die den Roman so authentisch macht.

Frank Goldammer ist vor allem durch seine Dresden-Krimis bekannt. Dieses Jahr legte er beim Gmeiner Verlag mit „Revierkampf“ (2013) den Nachfolger von „Abstauber“ (2012) vor. Auf seinen Lesungen begeistert er mit unterhaltsamen Kurzgeschichten; aber auch mit Thrillern hat er Erfahrung: Seit 2006 verlegte er selbst mehrere Romane zu mystischen Themen. „Feldwebel“ konstruiert er vor dem Endzeit-Szenario seiner Heimatstadt, mit einem sinnlosen Krieg, den niemand überlebt; nur ein Soldat, der nichts kennt außer dem Kampf und die Ergebnisse menschlicher Experimente. Tragisch-komische Situationen und immer wieder neue Probleme ziehen den Leser durch die Handlung mit einer großartigen Entwicklung des Hauptcharakters, der erst begreift, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, als er auf die Geheimnisse seiner eigenen Vergangenheit stößt.

Dresden ist im ersten Teil des Romans allgegenwärtig: Flughafen, Bahnhof Mitte, Terrassenufer und Carolabrücke – aber alles ist zerstört. Auf seiner ständigen Suche durchquert Feldwebel schließlich halb Deutschland, bis er in Nürnberg landet, wo das Hauptkommando sitzen soll. Aber was er dort findet, übersteigt seine Vorstellungskraft …

Eine gewisse Spannung nimmt das Cover schon vorweg und die Leser müssen sich nun gedulden, bis im Frühjahr der zweite Teil erscheint. So lange begleiten sie Feldwebel durch eine dunkle Zukunft, in der er sich selbst seine Befehle erteilt und verhindern muss, dass die Welt, für die er gekämpft hat, jetzt zum „Planet der Affen“ wird.

Linktipp: www.frank-goldammer.de

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Zeitlose Kindheitserinnerungen

Herbstauslese: „Als ich ein kleiner Junge war“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Erich Kästner: „Als ich ein kleiner Junge war“

Es ist wahrscheinlich eine der schönsten Liebeserklärungen an Dresden, die Erich Kästner (1899-1974) seiner Heimatstadt mit seiner Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“ (1957) einst machte.

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Elben an der Elbe

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Herbstauslese: „Elbenthal“-Saga

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ivo Pala: „Elbenthal“-Saga

Mitten in Dresden, unter dem Fundament des Residenzschlosses, liegt Aarhain, die letzte Bastion der Lichtelben. Sie verteidigen dort das Tor zur Unterwelt gegen den dunklen Fürsten und seine Schergen. Svenya, zuerst ein ganz normales Mädchen, ist zur Hüterin Midgards bestimmt und soll ihre Welt vor den finsteren Mächten beschützen. Aber auf ihr lastet ein Fluch, der verhindert, dass sie jemals erfährt, wer sie eigentlich ist und woher sie kommt – doch wie soll sie so für eine Sache kämpfen?

Ihre Schwerter haben einen eigenen Willen, ihre Gefühle spielen verrückt und ein riesiger Drache versucht, sich aus dem Kerker der Festung zu befreien … Eigentlich dachte Svenya immer, sie hätte schon genug Probleme! Aber nach und nach findet sie wertvolle Verbündete und treue Freunde für einen Krieg, der unausweichlich scheint.

Ivo Pala finanzierte sich schon sein Studium mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und arbeitet seit zwanzig Jahren als Drehbuchautor für Fernsehproduktionen. Unter dem Pseudonym Richard Hagen schreibt er Krimis, die er am Rhein ansiedelt, zuletzt „Ihr unschuldiges Herz“ (2012). Als Ivo Pala veröffentlicht er eher fantastische Stoffe; 2011 erschien „Die Lazarus-Formel“, ein Thriller, in dem eine Wissenschaftlerin ein Mittel für Unsterblichkeit findet. Mythen und epische Welten sind sein Steckenpferd: Der gebürtige Rheinländer begeisterte sich schon früh für das Nibelungen-Lied und seine Helden, die in der „Elbenthal“-Saga im Dresden der Gegenwart wieder auftauchen.

Das Klischee vom Straßenmädchen, das zur Auserwählten wird, ist der Fantasy weit verbreitet. Dagegen ist wohl auch nichts zu sagen, so lange es die Fans noch erfrischen kann. Der Drehbuchautor Pala weiß, wie man einen spannenden Plot konzipiert, wie man geschickt Perspektive und Szene wechselt. Zu Beginn flieht Svenya lange Zeit, später wird sie ständig in Kämpfe verwickelt. Das unglaubliche Tempo lässt den Leser kaum zu Atem kommen. Die Reihe hat nur eine einzige Länge: Die Passage, die die Vor-Vor-Vorgeschichte erzählt, aber leider wichtig für das Verständnis ist. Die Welle der Namen, die dort auftaucht, wird nur ansatzweise charakterisiert, und die Flut der Informationen scheint ertränkend.

Jede Figur verfolgt ihre ganz eigenen Ziele: Intrigen, Liebe und Verrat machen Svenya das Leben schwer – und die Magie ist in der unterirdischen Festung allgegenwärtig. Ivo Pala lässt Dresdner ihre Stadt mit anderen Augen sehen; Drachen und Schwerterklirren gab es hier lange nicht mehr.

Linktipp: www.elbenthal-saga.de

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Die Liebe in den Zeiten des Mauerfalls

Herbstauslese: „Von Mauern und Flammen“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Emilia Licht: „Von Mauern und Flammen“

Radolf und Katja sind Büchermenschen. Mit einer Literaturgesellschaft reisen sie 1989 nach Prag, laufen sich über den Weg und fangen sofort Feuer wie trockenes Papier. Ihre Liebe zum geschriebenen Wort wird zur Leidenschaft füreinander. Aber beide wissen, dass ihr Glück nur von kurzer Dauer ist, denn sie haben Verpflichtungen, Partner und später auch Familien.

Trotzdem kommen sie nicht voneinander los, telefonieren, treffen sich heimlich und spüren, dass sie so nicht ewig leben können. Zweimal verlieren sie sich aus den Augen und zweimal holt sie ihr Schicksal ein. Jahre vergehen, die Mauer fällt und die Weimarer Bibliothek steht in Flammen, aber als Radolf begreift, dass er um Katja kämpfen muss, ist es fast schon zu spät.

Nach bildhaften Episoden in Prag, Cottbus, Weimar und Berlin schickt die Autorin ihre Charaktere nach Dresden, wo sie sich nach der Wende eine berufliche Zukunft erhoffen. Katja arbeitet in einer Buchbinderei und bezieht eine kleine Wohnung in der Neustadt, als Radolf sie wiederfindet.

Emilia Licht ist Wahl-Dresdnerin und macht ihre Stadt wie selbstverständlich zur romantischen Kulisse. Spaziergänge in Straßen und Parks, Blumen vom kleinen Laden um die Ecke, das nette Café an der Frauenkirche – schon längst war es nötig, diesen Charme zu verewigen. Und was liegt da näher als eine Geschichte voller Leidenschaft, Kultur und Historie?

Emotionale Themen haben es der Autorin angetan, ihr Debüt gab sie 2011 bei Gmeiner mit „Hotel Blaues Wunder“, einer frechen Geschichte über eine Frau, die den Spagat zwischen Liebe und Karriere wagt. Natürlich in Dresden.

„Von Mauern und Flammen“ besticht durch Humor und den inneren Konflikt, sowie hervorragende historische und regionale Recherche. Emilia Licht belebt jede einzelne Gasse und zeigt, wie verschiedene Charaktere die Wende meistern oder daran scheitern, während ihre Pläne immer wieder durchkreuzt werden.

Die Bücherliebe bleibt leider etwas inkonkret, einige Charaktere zu flach, doch die Entwicklung der Protagonistin ist erstaunlich: Ihre anfängliche Unsicherheit wandelt sich zu beeindruckender Selbstständigkeit. Die Beziehung zu ihrer besten Freundin strahlt wahre Wärme aus.

Dieser mit Liebe zum Detail erzählte Roman beweist, dass wir alle Opfer unserer Gefühle sind. Emilia Licht widmet ihre Liebesgeschichte den Zögernden, den Menschen, die zu viel Angst haben und dann bemerken, wie schnell alles vorbei sein kann. Eine Leseempfehlung für Frauen, die diese Zeit mit ihren ganz eigenen Augen durchlebt haben.

Linktipp: www.emilia-licht.de

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Mörderjagd auf Erich Kästners Spuren

Herbstauslese: „Weltverloren“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Beate Baum: „Weltverloren“

Dresden ist gemeinhin als Kunst- und Kulturstadt bekannt. Die Autorin Beate Baum hat Elbflorenz mit ihren Büchern jedoch auch zur Krimistadt erkoren. „Weltverloren“ (2010) heißt der sechste Teil ihrer Reihe um die Journalistin Kirsten Bertram – es ist bereits der fünfte Band, der in Dresden spielt. Nach einer Fehlgeburt wacht die Hauptfigur im Krankenhaus auf und lernt dort ein junges, etwas seltsames Mädchen namens Ännchen kennen. Wie sich herausstellt, ist Ännchen eine Nachfahrin des Dresdner Autors Erich Kästner, die allerdings erstaunlich wenig über den Schriftsteller und sein Leben weiß.

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DDR-Untergang als Dresden-Saga

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Herbstauslese: „Der Turm“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Uwe Tellkamp: „Der Turm“

Viel ist über Uwe Tellkamps Dresden-Roman „Der Turm“ (2008) schon gesagt und geschrieben wurden. Schließlich erhielt der 1968 in Dresden geborene Autor für sein knapp 1000 Seiten umfassendes Werk über die Wende den Deutschen Buchpreis sowie den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Herbst 2010 eroberte eine Theaterfassung (von Jens Groß und Armin Petras) des Romans die Bühne des Dresdner Schauspielhauses, bevor im vergangenen Jahr die zweiteilige Romanverfilmung in der Regie von Christian Schwochow erstmals über die Fernsehbildschirme flimmerte – und noch einmal rund 7,5 Millionen Zuschauer erreichte.

Im Mittelpunkt der als Familiensaga entworfenen Handlung steht die Figur des Christian Hoffmann, aufgewachsen in einem engen Zirkel von Bildungsbürgern in einer verfallenen Villa auf dem Weißen Hirsch – im Roman das „Turmviertel“. Sein Vater, Richard Hoffmann, ist Chirurg an der Medizinischen Akademie Dresden mit geheimen Doppelleben. Der Onkel, Meno Rohde, arbeitet als Lektor in einem renommierten Verlag und prägt das Geistesleben des jungen Protagonisten sehr. Zugespitzt auf diese drei Personen und deren Umfeld erzählt Tellkamp die letzten sieben Jahre der DDR und stellt die Deutsche Wende so inmitten dieser besonderen Dresdner „Turmgesellschaft“ dar.

Den teils ausschweifenden, jedoch nicht bloß idyllischen, Dresden-Beschreibungen sind im Roman die schweren, düsteren Jahre Christian Hoffmanns bei der Nationalen Volksarmee gegenübergestellt. Nach dem Unfalltod eines Kameraden handelt sich Christian durch Äußerungen gegenüber seinen Vorgesetzten einen Aufenthalt im Militärgefängnis Schwedt ein. So entwirft Tellkamp mit seinem Roman nicht nur ein detailliertes Wende-Panorama anhand dieser Familiengeschichte, sondern mythifiziert gleichzeitig den Weißen Hirsch als nahezu geheimen Ort, der alte Werte für eine neue Zeit bewahrt.

Voller Motive, Anspielungen und immer wieder von den verschlungenen Tagebuchaufzeichnungen des Meno Rohde unterbrochen, gehört „Der Turm“ zwar zweifelsohne zu den wenigen großen Dresden-Romanen der Literaturgeschichte, fordert seinen Leser allerdings mit ausschweifenden Beschreibungen, einer Vielzahl von Handlungssträngen und einer zum Ende hin immer rasanteren Erzählweise, die teils in surrealistisch anmutende Szenen mündet, auch arg heraus. So verwundert es wohl kaum, dass viele Dresdner dieses Werk zwar im Bücherregal stehen, es jedoch niemals bis zum Ende durchgelesen haben – und lieber auf Theateraufführungen oder Filme zurückgreifen, obwohl doch gerade der Dresden-Komplex sowohl auf der Bühne als auch im Film stets zu kurz kam.

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Kriminalistische Hetzjagd ums Gewölbe

Herbstauslese: „Der Dieb von Dresden“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ralf Günther. „Der Dieb von Dresden“

Ein unerhörter Mord erschüttert die Dresdner Innenstadt. Maximilian Lenzen, der Stellevertreter des Direktors der Kunstsammlung im Grünen Gewölbe (Hofrat von Block) wird mit einer heißen Schokolade vergiftet. Schnell gerät von Block, der sich zur Auffrischung seiner privaten Edelstein- und Kuriositäten-Sammlung heimlich auch aus den Schätzen des Hofes bediente, unter Verdacht. Die Figur des von Block und seiner kuriosen Sammelleidenschaft ist ebenso historisch verbürgt, wie die des Musikers und Schriftstellers E.T.A. Hoffmann, der Blocks Tochter Ariane im Roman nicht nur Klavierunterricht gibt, sondern auch bei der Aufklärung des Verbrechens behilflich ist.

Der gebürtige Kölner Ralf Günther hat mit „Der Dieb von Dresden“ 2009 erstmals seine Wahlheimat Dresden in den Mittelpunkt einer historischen Romanhandlung gestellt. Schon ein Jahr später folgte mit „Der Leibarzt“ (2010) das zweite, und 2013 mit „Die Türkische Mätresse“ sein drittes Werk mit Dresden-Bezug. Die Figur des Hofrats von Block, dem „Dieb von Dresden“, geht auf den Baron Peter Ludwig von Block, den ersten Inspektor des Grünen Gewölbes zurück. Dieser ließ tatsächlich einst große Edelsteine aus Juwelen-Garnituren der Schatzkammer gegen kleine Steine austauschen und versetzte die anderen im Pfandhaus. 1816 wurde sein Vergehen entdeckt.

Den historischen Hintergrund der Romanhandlung zeichnen jene Tage im Jahr 1813, in denen Napoleon geschlagen aus Russland zurückkehrt, um in der Dresdner Gegend seine letzten Gefechte auszutragen. Es ist eine Zeit, in der die Neuverteilung der Macht bereits wie ein Damoklesschwert über dem Land schwebt und geheimdiplomatische Ränkespiele auch über das gesellschaftliche Hofparkett in der sächsischen Residenz ziehen.

Sorgsam recherchiert und verständlich aufgearbeitet, verwebt Ralf Günther historische Fakten mit seiner kriminalistisch angehauchten Romanhandlung um den diebischen Hofrat von Block. Das Gesamtkonzept des Romans ist klug konstruiert, ihm fehlt es allerdings über weite Strecken am roten Faden und damit auch an Spannung. Die Figuren von Block, Hoffmann und Ariane erscheinen als gleichberechtigte Hauptfiguren, was teilweise verwirrt und den Lesefluss etwas lähmt.

Trotz der gelungenen Atmosphäre, die Günther in seinen Stadtbeschreibungen immer wieder schafft, wirken einige Faktoren dabei ein wenig aufgesetzt. Die Figur E.T.A. Hoffmans etwa scheint eher ein Alibi für den prominent besuchten Dresdner Hof der Zeit zu sein. Die wahre Biografie des hier einerseits als labilen Trinker, andererseits als hilfreichen Klavierlehrer dargestellten Schriftstellers ist dabei für die Handlung des Romans – anders als bei von Block – jedoch kaum von Belang.

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