Künstlertagebücher aus dem Osten

„szene: BALTIKUM“ am Societaetstheater

Lettland, Estland und Litauen sind vom 4. bis zum 16. Mai zu Gast in Dresden. Dann lädt das Societaetstheater zum 6. Mal zum „szene“-Festival ein. Nachdem 2011 Künstler aus Schottland in Theaterstücken, Performances, Tanz und Filmen ein Stück fremdländische Kultur in die Elbmetropole brachten, soll der Fokus sich dieses Mal wieder gen Osteuropa richten, ins Baltikum. „Eigentlich wählen wir immer nur ein Land, das sich hier präsentiert“, erklärt Brit Magdon, die künstlerische Leiterin des Societaetstheaters. „Aber bei einem Theaterfestival in Riga vergangenen Herbst habe ich gemerkt, dass die drei baltischen Länder sehr stark miteinander verbunden sind“, sagt sie. Obwohl jedes Land für sich genug Potenzial für ein eigenes Festival böte, wird die diesjährige Veranstaltung daher unter dem Motto „szene: BALTIKUM“ stehen.

In den insgesamt 13 Aufführungen werden zwei Produktionen aus Litauen, vier aus Lettland und drei aus Estland gezeigt. „Die Theaterproduktionen werden in englischer Sprache mit Übersetzung gespielt“, sagt Magdon. Die künstlerische Leiterin hat sich im Vorfeld schon intensiv mit der Kunst im Baltikum auseinandergesetzt und dabei auch deutliche Unterschiede etwa zu deutschem Theater entdeckt. „In den Theaterstücken wird sehr oft die Frage nach der Rolle der Kunst und des Künstlers auf der Bühne gestellt“, sagt sie. „Die Künstler nehmen ihre eigene Person dabei nicht raus. Oft ist es sogar so, dass wir tagebuchartige Dinge erfahren, die dann künstlerisch überhöht werden. Das wirkt sehr warmherzig und ehrlich.“

So handelt das Stück „Show your face“ (13.5., 20 Uhr) beispielsweise von der Reise eines kleinen „Jedermanns“ durch das 20. Jahrhundert – und erzählt die Geschichte des Menschen zwischen Individualität und Gesellschaft. Ungewöhnliche Sehgewohnheiten beschert auch das lettische Stück „Mitjas Liebe“ nach einer Novelle des ersten russischen Literatur-Nobelpreisträgers Iwan Bunin im Societaetstheater (4.5., 20 Uhr). Der kleine Saal ist für diese Inszenierung extra umgebaut worden, damit der Eindruck eines lebendigen Gemäldes entsteht. Zur Festivaleröffnung im Festspielhaus Hellerau wird am 5. Mai Maxim Gorkis „Nachtasyl“ (Foto: PR/D. Matvetjev) in einer Litauischen Produktion gezeigt. Ab 21.30 sind zudem alle zur Festivalparty mit Musik aus dem Baltikum eingeladen.

Nicole Czerwinka

Societaetstheater: „szene: BALTIKUM“ 4. bis 16. Mai 2012

Linktipp: www.societaetstheater.de

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Große Partien am Kleinen Haus

Studenten inszenieren Mozarts „Figaro“

Die Dresdner Hochschulen für Musik und Bildende Künste bringen am 27. April mit Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“  wieder eine Gemeinschaftsproduktion auf die Bühne des Kleinen Hauses. Während die Kunststudenten für Bühnenbild, Kostüme und Maske verantwortlich zeichnen, übernimmt die Opernklasse der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ den musikalischen Part. Elbmargarita.de sprach im Vorfeld mit Lindsay Funchal (Foto: privat), die die Partie der Susanna singt.

Lindsay, Sie singen die Susanna in der Hochschulinszenierung von „Figaros Hochzeit“. Wie fühlt es sich an, im Rahmen einer studentischen Produktion auf der Bühne des Kleinen Hauses stehen zu dürfen?

Es ist eine tolle Möglichkeit, die wir hier an der Hochschule für Musik haben, unsere Hochschulproduktion auf einer echten Bühne zu spielen und den Betrieb eines richtigen Theaters kennenzulernen. Auch weil Figaros Hochzeit somit in den regulären Spielplan des Dresdner Schauspielhauses integriert ist.

Welche Herausforderungen sind mit der Rolle der Susanna verbunden?

Die Rolle der Susanna ist eine der längsten Opernpartien überhaupt, daher braucht man eine sehr gute körperliche und stimmliche Kondition. Um den Charakter der Susanna darzustellen, muss man sehr aktiv sein und viel Energie versprühen.

Inwieweit können sich auch die Gesangsstudenten in die Gestaltung des Stückes mit einbringen?

Wie in jeder Opernproduktion haben die Sänger auf die Inszenierung an sich keinen Einfluss, allerdings lässt uns der Regisseur Andreas Baumann viel Spielraum, die einzelnen Charaktere selbst zu entwickeln und mit eigener Persönlichkeit zu füllen.

Welche Beziehung haben Sie als Sängerin zu Mozarts Opern?

Susanna ist meine dritte Mozartpartie, nachdem ich bereits Blonde in „Die Entführung aus dem Serail“ und Despina in „Cosi fan tutte“ gesungen habe. Es ist für mich sehr spannend zu erfahren, wie unterschiedlich die oft als ähnlich gesehenen Rollen in Wirklichkeit doch sind. Mozart zeichnet seine Figuren musikalisch sehr fein und jede hat ihre Persönlichkeit. Als Sängerin muss man eine große Sensibilität entwickeln, um diese Unterschiede darstellen zu können.

Mozart charakterisiert die Figuren im Figaro allein durch die Musik sehr genau. Inwieweit bleiben da noch Spielräume für eigene Interpretationen?

Es gibt immer Spielraum für eine eigene Interpretation und das ist genau unsere Aufgabe, die Figuren durch unsere eigene Persönlichkeit mit Leben zu erfüllen.

Interview: Nicole Czerwinka

Mozart „Die Hochzeit des Figaro“, Premiere am 27. April, 19 Uhr im Kleinen Haus Dresden, öffentliche Probe am 25. April, 18 Uhr im Kleinen Haus

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Neuer Rekord beim Treppenlauf

Schweizer bezwingt 79 400 Stufen in 13,5 Stunden

Beim 8. Sächsischen Mount Everest Spitzhaustreppen-Marathon gibt es einen neuen Rundenrekord. Der Schweizer Sepp Schreiber lief die 397 Stufen der Spitzhaustreppe in 13 Stunden und 47 Minuten 100 Mal auf und ab. Schreiber schlug damit den bisherigen Rekordhalter Kurt Hess, der die insgesamt 79 400 Treppenstufen 2007 in 14 Stunden und 48 Minuten schaffte. Den zweiten Platz belegte in diesem Jahr Andreas Allwang aus München mit 13 Stunden und 55 Minuten, Dritter wurde der Radebeuler Ulf Kühne, der die 100 Runden in 15 Stunden und 27 Minuten lief.

Unter den 57 Läufern, die im Alleingang auf der Treppe starteten, waren neun Frauen. Als Erste kam die Hamburgerin Katrin Grieger nach 17 Stunden und 39 Minuten ins Ziel. Zweitplatzierte war Ulrike Baars (18:31) aus Dresden, den dritten Platz belegte die Meißnerin Kristina Tille (20:05).

Daneben traten insgesamt 14 Dreiseilschaften beim Lauf an. Sieger waren – wie schon in den Vorjahren – die Großenhainer Läufer „Schritt für Schritt“, die zusammen 100 Runden in zehn Stunden und zehn Minuten liefen. Die Touristenstaffel gewann das Radebeuler Gymnasium Luisenstift (11:05) knapp vor dem Lößnitzgymnasium (11:33). Für einen spektakulären Auftritt sorgten zudem die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Radebeul-Kötzschenbroda zusammen mit der Ortsgruppe des Technischen Hilfswerkes Radebeul (THW). Sie liefen in der Kategorie „Elf Freunde“ die Treppe mit Atemschutzgeräten auf und ab – belegten dabei allerdings den letzten Platz. Gewinner der „Elf Freunde“ war die Gruppe Animo.

Der Radebeuler Spitzhaustreppen-Marathon gehört laut Veranstalter Christian Hunn zu den härtesten Läufen weltweit. Eine Runde ist 843, 39 Meter lang und hat einen Höhenunterschied von 88,48 Metern. Hundertmal durchlaufen ergibt das den kompletten Auf- und Abstieg vom Meeresspiegel bis auf den Gipfel des Mount Everest. Der Spitzhaustreppen-Marathon wird seit 2005 jährlich an der Spitzhaustreppe in den Radebeuler Weinbergen (Fotos: N. Czerwinka) ausgetragen.

Linktipp und weitere Ergebnisse: www.treppenlauf.de

 

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Historischer Zufallsfund

Papsturkunde im Stadtarchiv entdeckt

Derzeit finden im Dresdner Stadtarchiv Restaurierungsarbeiten an den dort vorhandenen Urkunden statt. Dabei entdeckten Mitarbeiter eine päpstliche Urkunde, eine sogenannte Papstbulle, aus dem Jahr 1399.  Das Besondere an dieser Urkaunde (Foto: PR/Stadt Dresden) ist, dass es die einzige im Original erhaltene Bulle ist. Obwohl aus dem Schreiben hervorgeht, dass es einst noch fünf oder sechs weitere päpstliche Urkunden im Stadtarchiv gegeben haben muss.

In der vom 30. April 1399 datierten Urkunde gewährt Papst Bonifatius IX. (1350-1404)  jedem einen 40-tägigen Ablass, „der täglich in der Kapelle des heiligen Kreuzes durch die Geistlichkeit stattfindende Absingung des ‚Salve Regina‘ in Andacht beiwohn[t].“ Knapp sechzig Jahre später wurde diese Urkunde vom Meißner Bischof Caspar (1395-1463) bestätigt.

Mittlerweile wurde die Bulle restauriert und gereinigt. Am 21. September 2012 (von 18-21 Uhr) können sich interessierte Dresdner Bürger die Bulle anläßlich der „Langen Nacht des Stadtarchivs“ anschauen. Das Archiv plant, die Urkunde im Rahmen einer kleinen Ausstellung zu präsentieren.

Janine Kallenbach

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Sachsenmarathon am Spitzhaus

8. Treppenlauf in Radebeul lockt in die Weinberge

Es sind genau 397 Stufen und ein Stück Straße, die durch die malerischen Weinberge (Foto: N. Czerwinka) unterhalb des Spitzhauses in Radebeul einmal im Jahr wohl eine der verrücktesten Marathonstrecken der Welt bilden. Eine Runde ist genau 843,39 Meter lang, mit einem Höhenunterschied von 88,48 Metern. Das Ganze 100 Mal auf- und abgelaufen ergibt einen Doppelmarathon, der dem kompletten Auf- und Abstieg vom Meeresspiegel bis auf den Mount Everest und insgesamt 79400 Stufen entspricht. Innerhalb von 24 Stunden bewältigt, ist das eine sportliche Meisterleistung, die sich nur Wahnsinnige oder echt gut Trainierte antun können.

Zum nunmehr 8. Sächsischen Mount Everest Treppenmarathon am 21. und 22. April 2012 sind jedoch, wie in jedem Jahr, auch pure Schaulustige willkommen. Wie immer wird der Wettkampf in diesem Jahr wieder in vier Rennen unterteilt: Mutige können im Alleingang, in Dreiseilschaften, auf dem etwas gemächlicheren Touriweg oder mit elf Freunden antreten. Bislang (Stand 14.4.) sind allein 50 Männer und zehn Frauen als Alleingänger gemeldet – darunter auch Starter aus den USA, der Schweiz, Österreich, Schweden, Polen, Großbritannien und natürlich ganz Deutschland. In den Dreierseilschaften starten immerhin 15 Teams aus ganz Deutschland, für den Touriweg haben sich fünf Mannschaften gemeldet, während die Elf Freunde mit acht Mannschaften aus Radebeul, Dresden und Meißen laufen.

Wer das Spektakel entspannt von oben bei einem Bierchen und Bratwurst beobachten will, der sollte zum Aufstieg auf die Lößnitzhöhe den Rieselgrund oder die Weberstraße mit den Stufen zum Spitzhaus nutzen (die berühmte Treppe ist zwecks Sportveranstaltung ja gesperrt). Parkmöglichkeiten gibt es an der unteren Wende auf der Hoflößnitzstraße sowie oben auf der Spitzhausstraße – leider aber nur in begrenzter Anzahl. (NC)

Linktipp: www.treppenlauf.de

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Vorhang auf für kurzweilige Kurzfilme

R.E.M beim 24. Filmfest Dresden

Das 24. Filmfest Dresden öffnet vom 17. bis 22. April seine Pforten. Wie in den letzten Jahren auch ist das Programm voll gestopft mit Kurzfilmen. Um die 300 Filme sind es dieses Mal. Nicht nur im Wettbewerb, sondern auch in einzelnen Sonderprogrammen wie zum Beispiel die Retrospektive zum britischen Animationskünstler Peter Sachs. Doch ein besonderes Schmankerl ist die diesjährige und erstmalige Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Dirk Burghardt, kaufmännischer Direktor der SKD, freut sich besonders dieses Jahr dabei zu sein. „Wir haben schon länger überlegt, wie wir mit dem Filmfest Dresden einmal zusammenarbeiten können.“ Nun bietet eine Musikerlegende die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Burghardt und seinen Kollegen ist es gelungen, das Kunstprojekt von Michael Stipe, den ehemaligen Leadsänger der Band R.E.M., nach Dresden zu holen. Nach 31 sehr erfolgreichen Jahren trennte sich 2011 die Band und ihr Album „Collapse into Now“ sollte das letzte sein. Es ist ein einzigartiges Album, nicht nur wegen der Musik, sondern auch weil Stipe daraus ein Filmprojekt machte. Für jeden der zwölf Songs konnte er einen namenhaften Regisseur wie James Franco gewinnen, der das Lied in einem Kurzfilm interpretiert. Herausgekommen ist ein visuelles Erlebnis. Burghardt meint dazu, dass Dresden neben Austin, New York und Istanbul nur eine von vier Städten ist, die alle zwölf Kurzfilme zeigt. „Und wir zeigen sie im Albertinum, was die perfekte Kulisse eines solch außergewöhnlichen Projektes ist.“

Einziger Wermutstropfen ist, dass „Collapse into Now“ nur an zwei Tagen gezeigt wird. Einmal am Donnerstag (19.4., 20 Uhr) im Lichthof des Albertinums und am Samstag (21.4., 22.15) in der Schauburg. Allerdings zeigt das SKD begleitend dazu die vom 20. April bis 10. Juni dieses Jahres die Ausstellung „Anton Corbijn. R.E.M. Seen between 1990 – 2010“. Der niederländische Fotograf ist bekannt für seine Fotografien rund um die Rockszene und hat schon Nirvana oder U2 vor der Linse gehabt. Mit „ R.E.M. Seen between 1990-2010“ werden nun 40 Portraitaufnahmen der Band gezeigt. Ein eindrucksvolles, vor allem sehr persönliches Bild der Band entsteht so, denn Corbijn hat die Fotos weder nachbearbeitet noch die Bandmitglieder unter künstlichem Licht abgelichtet.

Janine Kallenbach

Zum Foto: Bradley Kaplan and Albert Maysles haben den Song “Me, Marlon Brando, Marlon Brando and I” interpretiert. (Foto: PR/Filmfest Dresden)

Linktipp: www.filmfest-dresden.de

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Die Tragik eines Nachmittags

„Treffen am Nachmittag“ am Societaetstheater

Es beginnt im Dunkel. Moderne Stühle stehen um einen Glastisch. Ein alter Mann setzt sich, bedient eine Fernbedienung, Knacken, Rauschen, das Licht wechselt die Farbe. Er stellt sein Hörgerät ein. Musik ist zu hören, dann der Polizeifunk, wieder Musik. Plötzlich klingelt es. Das Licht geht an, er öffnet die Tür. Eine gepflegte Dame tritt ein. Sie hat sich schick gemacht, trägt ein rotes Kleid mit Schal, hohe Schuhe und sieht sich um, setzt sich schließlich. Die ersten Minuten von Henning Mankells „Treffen am Nachmittag“ vergehen am Societaetstheater Dresden ganz ohne ein Wort. Danach herrscht dafür ein umso rauerer Ton zwischen den beiden Hauptfiguren. Sie sind 60 Jahre verheiratet, 23 davon getrennt (oder waren es schon 24?) und eigentlich immer noch ein schönes Paar. Die Beiden wissen, dass sie alt sind – und dennoch, oder gerade deshalb, will sie nun die Scheidung.

Das ursprünglich als Rundfundhörspiel konzipierte Kammerstück des Schweden Henning Mankell hat es in sich. Feinsinnig zeichnet der durch seine Wallander-Krimis international populär gewordene Autor darin das Profil eines ergrauten Liebespaares, das die Probleme des Lebens eigentlich längst gelebt und verziehen haben sollte. Doch die beiden reden erst jetzt miteinander – und wie! Wortgefechte, die von Seitensprüngen bis hin zu Inkontinenz und Tablettenkonsum allerlei traurig-komische Geständnisse enthüllen. Mankells Text strotzt vor Ironie. Er erzählt in subtiler Weise von den Unwägbarkeiten der Liebe, ebenso wie von den Unzulänglichkeiten der Liebenden, deren tiefe Zuneigung zueinander trotz des gelegentlichen Hasses aufeinander nie endet. So ein Text braucht, wenn er auch auf der Bühne funktionieren soll, vor allem eines: sehr gute Schauspieler.

Für die deutsche Uraufführung am Theater hat sich Regisseur Andreas Pirl daher zwei Koryphäen erster Güte auf die Bühne geholt. Irma Münch (geboren 1930), war bis 1990 Mitglied des Schauspielensembles des Deutschen Fernsehfunks der DDR und mit dem Schauspieler Hans-Peter Minetti verheiratet, spielt den weiblichen Part. Und Hermann Beyer, der (1943 geboren) am Societaetstheater zuletzt in „Totentanz“ zu sehen war und als Schauspieler bis heute in zahlreichen Fernsehproduktionen mitwirkt. Den beiden nimmt man das alte, frustrierte bis einsame Ehepaar (Foto: PR/Detlef Ulbrich) gern ab. Sie harmonieren zusammen, optisch ebenso wie beim Spiel. Das jedenfalls lässt sich an vielen Stellen der Uraufführung schmerzlich erahnen.

Denn ganz sicher gelänge es den beiden Schauspielern, die pfiffigen, oft frechen und schonungslos ehrlichen Dialoge mit viel Humor und Spielfreude auf der Bühne erlebbar zu machen. Von der nötigen Lockerheit und erfahrener Routine ist bei der Uraufführung am 13. April allerdings nicht viel spürbar. Es scheint eher wie verhext. Immer wieder verheddert sich Hermann Beyer in allzu offensichtlichen Texthängern. Mehrfach fordert er die Souffleuse auf, ihm den Text laut vorzusagen und bringt den Spielfluss damit unangenehm ins Stocken. Improvisiert er auch anfangs noch selbstbewusst über seine Unsicherheiten hinweg, so drohen diese am Ende die gesamte Dramaturgie zu sprengen. Auch Irma Münch wird dadurch immer wieder zur Improvisation gezwungen, was sie jedoch souverän und tapfer meistert.

So bleibt zum Schluss nur eine leise Ahnung davon, dass in Beyer ein grandioser Schauspieler steckt, der an diesem Abend nur einfach nicht in Gang kommen will. Stattdessen wird er auf traurige Weise zu eben jener vergesslichen Figur, die er eigentlich spielen soll. Am Ende bibbert das Publikum mehr mit ihm als mit dem eigentlichen Stück. Das ist schade.

Nicole Czerwinka

„Treffen am Nachmittag“ am Societaetstheater Dresden wieder am 14.4. 20 Uhr sowie am 18.5. und 19.5. jeweils 20 Uhr.

 

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Die Leuchttapete an der Wand

Das Tal der Superhirne, Teil II

In Dresden wird seit jeher gefragt, geforscht und entdeckt. Allein die Technische Universität meldete 2011 rund 120 Patente an – und ist damit bundesweiter Spitzenreiter. Doch auch an den anderen Hochschulen und Instituten der Stadt köchelt es in den Erfinderstübchen. www.elbmargarita.de stellt in einer losen Serie DDner Entdeckungen vor:

Was sind eigentlich organische Halbleiter? „Das sind organische Kohlenstoffmaterialien, die ähnlich wie die bisherigen Halbleiter aus Siliziumkristallen in der Elektronik eingesetzt werden können, jedoch weit vielfältiger verwendbar und besonders energiesparend sind“, erklärt Professor Karl Leo von der Technischen Universität Dresden (TU). Leo erforscht organische Halbleiter an der TU schon seit den 90er Jahren. Gemeinsam mit Dr. Jan Blochwitz-Nimoth von der Novaled AG und Dr. Martin Pfeiffer von der Heliatek GmbH ist es ihm nun erstmals gelungen, organische Halbleiter für den Einsatz in verschiedensten Produkten entscheidend zu verbessern.

Die Wissenschaftler schufen die Basis für Anwendungen von Displays, Beleuchtung und Photovoltaik, die bis dato undenkbar waren. So können die organischen Halbleiter dank des Dresdner Forscherteams künftig die heute gebräuchlichen kristallinen Materialien wie Silizium mit neuen Nutzungsmöglichkeiten in der Elektronik ergänzen. „Man kann diese Leiter zum Beispiel transparent machen und in Gebäude und Fenster integrieren“, erklärt Professor Leo. Auch die Biegsamkeit der Halbleiter sei ein grundlegender Vorteil. So lassen sich die Materialien vergleichsweise einfach und kostengünstig zu Transistoren, Leuchtdioden oder Solarzellen mit ungewöhnlichen Eigenschaften verarbeiten: als dünne, biegsame und transparente Folien fast beliebiger Größe. Die Dresdner Forscher verbesserten die Effizienz organischer Leuchten und Lichtfänger zudem deutlich, indem sie die Kunststoffe darin mit bestimmten Fremdsubstanzen „spickten“. Sie entwarfen organische Leuchtdioden (OLED), die eine größere Lichtausbeute haben als Leuchtstoffröhren, was zum Beispiel für die Beleuchtung in Büros angewendet werden könnte.

„Wir stellen uns vor, dass die organischen Halbleiter später als großflächige Leuchten in verschiedenen Farben etwa wie eine Tapete an die Wand geklebt werden können“, sagt Leo. Auch durchsichtige dünne Solarzellen könnten künftig auf Autos oder Kleidungsstücken haften und Strom aus Sonnenlicht erzeugen. Für die Fertigung solcher Produkte haben die Forscher in Dresden eine erste Rolle-zu-Rolle-Anlage errichtet, die organische Elektronik-Bauteile auf eine dünne Unterlage druckt – ähnlich wie eine Zeitung auf Papier. Die patentierten Anwendungen werden inzwischen bereits in zwei ausgegründeten Unternehmen realisiert. Das Forschungsprojekt wurde im Dezember mit dem Deutschen Zukunftspreis 2011 ausgezeichnet.

Nicole Czerwinka

(erschienen in SAX 02.12, Seite 10/11)

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Zu Besuch im Gefühlshaushalt

Die Leidenschaften im Hygiene-Museum

Kaum ein Gefühl bestimmt unser Leben so unmittelbar und unwillkürlich wie ein leidenschaftliches Gefühl. Sicher auch aus diesem Grund widmet das Hygiene-Museum Dresden dem Thema LEIDENSCHAFTEN in diesem Jahr eine eigene Sonderausstellung.

Der Besucher wird dabei zu einem Theater der besonderen Art eingeladen: Bei der Ausstellung „Die Leidenschaften, ein Drama in fünf Akten“ soll er selbst in die Stürme und Wogen des menschlichen Gefühlshaushaltes eindringen. In abstrakter Weise erzählt die Ausstellung von Kuratorin Catherine Nichols sowie der beiden Gestalterinnen Mariama Clément und Julia Hansen davon, wie uns die Leidenschaften immer wieder im Leben packen, mitreißen, beflügeln, in Abgründe stürzen und schließlich, manchmal plötzlich, manchmal nach langem Kampf, wieder loslassen. In beschreibender Weise sammelt die Ausstellung Beispiele, eine riesige Collage von Leidenschaften verschiedenster Art, mit deren Hilfe der Besucher seinen ganz persönlichen Erfahrungen sowie dem Phänomen „Leidenschaft“ per se auf den Grund gehen soll. Grundgedanke der Exposition bleibt dabei immer die Tatsache: Ohne Leidenschaft läuft rein gar nichts im Leben.

Und so werden wir im ersten Akt dieses bizarren Gefühlsdramas von einem großen Krokodil (Foto: PR/Oliver Killig) begrüßt, das inmitten einer gutbürgerlichen Kücheneinrichtung seine Berechtigung sucht. Schließlich kommen sie meist ungewollt, aggressiv und unerwartet wie ein Krokodil im Urwald daher, diese Leidenschaften. Was folgt, ist ein spannender Rundgang durch die Kulturgeschichte und Erscheinungsformen der Leidenschaft, die auch danach fragt, ob Leidenschaft wirklich immer Leiden schafft oder ob die Vernuft vielleicht auch ihre Chance bekommt.

Verstört und fasziniert zugleich wandern wir also weiter, befinden uns mittendrin und versuchen dabei doch, das Ganze irgendwie distanziert zu verarbeiten. Wir stoßen auf Ecken, in denen wir uns wohlfühlen und auf Gebiete, die uns fremd sind, in diesem Gefühlshaushalt  – und picken uns doch immer wieder das für uns Beste, Interessanteste heraus. Ja, zum Nachdenken regen sie bestimmt an, diese Leidenschaften als „Drama in fünf Akten“.

Richtig greifbar, und das ist durchaus ein vorhersehbares Manko der Ausstellung, werden die Leidenschaften dabei jedoch nicht – da kann auch ein Krokodil aus Gummie nichts daran ändern. Wer eine Antwort darauf haben möchte, warum uns Leidenschaften so heftig befallen, wo sie herkommen und was sie bedeuten, der wird nach dem fünften Akt nicht schlauer sein, als vor dem ersten. Aber vielleicht ist das ja auch gerade der Sinn – spannend wie die Leidenschaft ist dieses fünfaktige Drama schließlich allemal!

Nicole Czerwinka

Ausstellung „Die Leidenschaften – Ein Drama in fünf Akten“, im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, noch bis zum 30. Dezember 2012

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Bedeutungsvolles Nichts

Janne Teller Nichts, Staatsschauspiel Dresden
Ein Gruppe von Jugendlichen ist mit Nichts auf der Suche nach Bedeutung (Foto: PR/David Baltzer).

Janne Tellers „Nichts.“ am Staatsschauspiel

Am Anfang steht die Videoprojektion. Was die Zuschauer oben auf der Leinwand sehen, passiert unten in der Horizontalen. Die Ebenen werden so auf effektvolle Weise verkehrt. Alle Beteiligten liegen am Boden, am Anfang, als Pierre Anthon aus der Klasse 7a geht. Er entgleitet seinen Kameraden förmlich ins Ungewisse, ins Nichts. Die dänische Schriftstellerin Janne Teller schuf mit ihrem Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ bereits im Jahr 2000 die Vorlage für das Theaterstück, das am Kleinen Haus in Dresden am 31. März Premiere feierte. Es handelt von Pierre Anthon, der sich an einem heißen Sommertag nach den Ferien plötzlich in seinen Pflaumenbaum zurückzieht und behauptet, dass nichts auf der Welt eine Bedeutung hat. Und schon sitzt er da, hoch oben auf den auf der Bühne sorgfältig gestapelten Holzpaletten (Bühne: Karoly Risz). Im Theater provoziert er das Publikum mit dem Mikrophon in der Hand, er bezieht die Zuschauer so direkt mit in das Geschehen ein, viel wirkungsvoller als im Buch.

Hausregisseur Tilmann Köhler hat den umstrittenen, hochphilosophischen und mittlerweile in 13 Sprachen übersetzten Roman Janne Tellers mit den Studentinnen und Studenten des Schauspielstudios Dresden auf jugendlich-frische Art für die Bühne des Dresdner Staatsschauspiels inszeniert. In der folgenden Szene zeigt die Videoprojektion die acht jungen Schauspieler von oben, wie sie wie Ameisen hilflos vor dem Nihilismus ihres früheren Klassenkameraden hin- und herrennen. Schließlich geht es um viel, Pierre Anthons gewagte Thesen vom allumspannenden Nichts führen das Leben ad absurdum, die Jugendlichen wollen daher nun seine Sprüche ad absurdum führen – und beginnen, bedeutsame Gegenstände für einen „Berg aus Bedeutung“ zu sammeln. Zunächst im Publikum. Später soll dann jeder Einzelne von ihnen ein ganz persönliches Opfer bringen. Mit den grünen Sandalen von Agnes beginnt es – und steigert sich schon bald bis ins Geschmacklose. Zum Schluss muss Sophie ihre Unschuld opfern und Jan-Johan seinen rechten Zeigefinger. Das anfangs noch unschuldige Spiel gerät außer Kontrolle.

Die jungen Schauspieler bringen dieses literarische Gedankenspiel Tellers unwahrscheinlich energiereich und voll Erfindungsreichtum auf die Bühne. Immer wieder beziehen sie das Publikum mit in ihr rasantes Spiel ein, verblüffen mit ungeheurer Spontanität und zeigen dabei spürbar Freude an der Improvisation. Es fällt schwer, sich dieser Schnelligkeit und dem Wahnsinn des Stückes zu entziehen. Gibt es zu Anfang noch einige Lacher, herrscht später, als Jan-Johan seinen Finger opfern soll, auf einmal bedächtige Ruhe im Saal. Schon wird diese selbstironisch vom Ensemble gebrochen, mit der offenen Frage, wer von den Darstellern auf der Bühne denn nun Jan-Johan sein soll. Denn die Rollen – und das ist ein geschickter Schachzug Köhlers – sind zu keiner Zeit festgeschrieben. Pierre Anthon wird zum Hamster, Agnes zu Pierre Anthon und so weiter. Jeder ist jeder und alle sind alles, oder eben nichts. Den Schauspielstudenten ringt das darstellerische Höchstleistungen ab, sie müssen jeder für sich in allen Facetten brillieren, permanent von Figur zu Figur schlüpfen. Obwohl sie das mit Bravour meistern, ist es für den Zuschauer doch an mancher Stelle auch verwirrend. So wird der Roman vielleicht ein bisschen zu wörtlich genommen: Nichts bleibt, wie es war. Selbst Requisiten wandern wie von Geisterhand auf die Bühne, wechseln ihre Bedeutung, kreativ wird mit den einfachsten Mitteln gespielt. Zweifelhaft ist dabei jedoch, ob tatsächlich jeder versteht, was beispielsweise ein „Dannebrog“ (in Dresden ersetzt durch einen blauen Slip) ist und warum diese dänische Nationalflagge für einen Jugendlichen von etwa 14 Jahren so bedeutungsschwer sein soll. Hier driften dänische Vorlage und sächsisches Theater ein bisschen auseinander.

Die Sucht nach Bedeutung gelangt dann schließlich auch auf der Bühne zum Höhepunkt, als Jan-Johan seinen Finger opfern muss. Trickreich wird hierbei das Publikum aus seiner Schockstarre geweckt und wiederum direkt ins Geschehen hineingezogen, als ein spontaner Gitarrenwettbewerb auf der Bühne entscheiden soll, welcher Schauspieler Jan-Johan mimen wird. Die Entscheidung – und das erscheint genial – liegt dabei ganz allein beim Publikum, das per Applaus für den einen oder den anderen abstimmen wird, und sich so auch ein Stück weit mitschuldig macht am darauffolgenden Verlust des Fingers. Reflektierende Distanz unerwünscht. Jeder ist alles oder nichts.

Dass die Inszenierung sich dabei auch allzu gern mal vom Text der Romanvorlage abhebt und szenische Freiheiten ausgiebig auskostet, macht einen gewissen Reiz des Ganzen aus. Es kann allerdings dann zu Problemen führen, wenn man die Romanvorlage nicht kennt. Sehr dicht wird es dabei vor allem am Schluss, wo Journalisten aus aller Welt zu den Schülern kommen, um ihren Berg aus Bedeutungsvollem als Kunstwerk zu begutachten. Auch hier wird das Publikum wieder auf die Bühne zitiert und somit Teil der gaffenden Masse. Doch allzu schnell ist dieser Ruhm verflogen und der Berg wieder vom Nichts bedroht. Was dann kommt, passiert im Zeitraffer. Unbelesene werden spätestens hier überfordert sein: Massenkampf mit Todesfolge, der Berg wird angezündet und nur die Asche bleibt vom einstmals Bedeutungsvollen noch übrig. Erst hier kommt die Videoprojektion dann wieder zum Einsatz, weit weniger wirkungsvoll als zu Beginn zeigt sie dieses Mal jedoch nur auf eine Person, die erledigt am Boden liegt – oben wie unten, die Ebenen scheinen nun gewaltvoll geglättet. Die Moral von der Geschichte bleibt im Roman wie am Theater jedem selbst überlassen – es sei denn man hält es wie Pierre Anthon.

Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus, wieder am 7.4., 13.4., jeweils 19.30 Uhr,

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