Premierenfieber ohne Liveorchester

Peter Kube inszeniert Cole Porters „Kiss Me Kate“ an den Landesbühnen Sachsen

Kurz bevor sich der Vorhang für mindestens weitere vier Wochen schließt, geben die Landesbühnen Sachsen mit der Premiere von Cole Porters Musicalschlager „Kiss me Kate“ (Foto: Sylvio Dittrich) noch einmal richtig Gas. Freilich sind unter Einhaltung aller gebotenen Hygieneregeln weder leidenschaftliche Bühnenküsse noch Umarmungen erlaubt. Dafür hat sich Regisseur Peter Kube jedoch allerhand raffinierte Kniffe einfallen lassen, um das turbulente Stück nach dem Buch von Samuel und Bella Spewack dennoch auf die Bühne zu bringen. Seine Inszenierung setzt vor allem auf Humor – lachen ist bekanntlich gesund. Und so bezieht Kube jene Herausforderungen, die Corona für den Theaterbetrieb nun eben mit sich bringt, nahezu schonungslos ins Spiel im Spiel mit ein.

Das wirkt an manchen Stellen vielleicht schon fast zu inflationär, bleibt aber zumindest konsequent Prinzip der Inszenierung. Es erklärt zudem das beinahe leere Bühnenbild (Ausstattung: Stefan Wiel), das uns direkt hinter die Kulissen des Theaters blicken lässt, in dem sich die Schauspieler Fred und Lilly nach der Scheidung wiedertreffen, um ihr Publikum mit Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ zu erfreuen. In Zeiten von Corona läuft auch in Freds Ensemble alles auf Abstand, bis sich beide schmachtend an der Plexiglastrennwand wiederfinden, um kurz in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen. Das Pikante daran: Fred hat seiner neuen Affäre Louis Lane ebenfalls eine Rolle in dem Stück zugeschanzt, während Lilly jetzt ausgerechnet mit dem Geldgeber der Theatergruppe, Harrison Howell, liiert ist. So sorgt die Widerbegegnung schließlich auf und hinter der Bühne für erotisches Knistern und reichlich Zündstoff.

Olivia Delauré und Holger Uwe Thews geben als Lilly und Fred ein entzückendes Paar. Prickelt es anfangs beim legendären „Wunderbar“ zwischen beiden noch zaghaft, so lässt Olivia Delauré die eifersüchtig erzürnte Diva Lilly schon wenig später als wilden Vulkan auf der Bühne brodeln. „Kampf dem Mann“ wird bei ihr zur radikalen musikalischen Abrechnung mit dem Ex. Den gibt Holger Uwe Thews als lässigen Macho, dessen innere Wandlung sich erst sachte anbahnt, als Lilly ihr Engagement mitten in der Aufführung hinzuschmeißen droht. Das Ensemble der Landesbühnen Sachsen spielt mit Esprit und Leichtigkeit. Christin Rettig zeigt sich als Louis Lane von ihrer erotisch verführerischen Seite. Johannes Krobbach verleiht dem spielsüchtigen Schauspieler Bill schnottrige Lässigkeit. Für Lacher sorgen zudem Michael Berndt-Cananá und Moritz Gabriel als Gaunergespann. Anke Teickner ist eine herzige Garderobiere Hattie. Es mag wohl Absicht sein, dass Tom Hantschel im Vergleich zu dieser temperamentvollen Künstlerwelt in der Rolle des Sponsors Harrison eher passiv wirkt.

Nach ein paar Längen nimmt das Stück schnell Fahrt auf und die turbulenten Verwirrungen zwischen Spiel und Wirklichkeit können nurmehr anhand der auffälligen Shakespeare-Kostüme unterschieden werden. Rasant geht es zu, wenn Gefühle, Beziehungen und Freds Regiepläne durcheinandergeraten. Bis auf das Liveorchester, das platzbedingt leider nicht spielen darf, verzichtet Kubes Inszenierung dabei auf fast nichts: Größere Ensembleszenen werden jeweils hinter Plexiglasboxen gesungen. Die Choreografien von Till Nau sind auch mit Hygieneabstand pfiffig und mitreißend.

Unter der Leitung von Uwe Zimmermann hat eine Bigband aus Musikern der Elbland Philharmonie Sachsen die Musik von Cole Porter zuvor eingespielt. Die Synchronisation dieser Klangkonserve mit dem Livespiel auf der Bühne klappt überraschend gut. Ohnehin hat Porters „Kiss Me Kate“ ja hohes Ohrwurmpotenzial. Und auch wenn Corona eine nicht unwichtige Rolle in der Inszenierung spielt, machen der Humor des Stücks, die schmissige Musik, die kleinen Hintersinnigkeiten das Leben mit und in der Pandemie für unterhaltsame drei Stunden ein bisschen leichter. Für die nächsten Wochen freilich muss das nun erst mal reichen.

Info: „Kiss Me Kate“ an den Landesbühnen Sachsen, nächste Vorstellung geplant am 4.12., 10.12. und 2.1.21 im Stammhaus Radebeul

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