Per Schlittenfahrt zur Traumhochzeit

Wie eine Ausstellung im Verkehrsmuseum den Blick für das Reisen im Barock und Dresdner Stadtgeschichte öffnet

Heute vor 300 Jahren waren sie gerade auf dem Weg von Wien nach Dresden: Kurprinz Friedrich August II. von Sachsen und seine frisch Angetraute, die Kaisertochter und Erzherzogin Maria Josepha von Österreich. Die Hochzeit der beiden am 20. August 1719 war ein Ereignis von so gigantischem Ausmaß, dass man selbst im Jubiläumsjahr 2019 einfach nicht daran vorbeikommt.

Egal, ob im Zwinger, in Pillnitz oder auf Schluss Hubertusburg: überall künden Ausstellungen und Feste von den einst vier Wochen andauernden Feierlichkeiten. Im Verkehrsmuseum Dresden kann man sich ab morgen (30. August) mit dem Brautpaar sowie mit Bürgern, Handwerkern und Bauern, sprichwörtlich auf eine Reise durch das 18. Jahrhundert begeben.

Virtuelle Pferde vor dem imposanten Achtspanner im Lichthof des Verkehrsmuseum …

Von „Prunkgondeln, Prachtkutschen und Pferdeäpfeln“ heißt die Sonderausstellung, die auch für das Verkehrsmuseum eine neue Ära einleitet. Denn nie zuvor hat sich eine Ausstellung im Johanneum so detailliert mit den Reisemitteln im Barock auseinandergesetzt. Virtuelle Pferde grüßen den Besucher bereits am Eingang zum Lichthof, um die ganze Pracht jenes Achtspanners zu veranschaulichen, in dem das Brautpaar vor 300 Jahren feierlich in Dresden einfuhr. Mit der Kutsche, zu Pferd und per Gondel gelangten die frisch Vermählten nach der Hochzeit in die sächsische Residenz. Die reine Fahrzeit von Wien bis nach Pirna betrug damals neun Tage, Reisepausen nicht mitgerechnet. In Pirna begann schließlich die eigentliche „Brauteinholung“, die zu Wasser mit einer Gondelprozession nach venezianischem Vorbild vollzogen wurde.

Ein Fisch auf der Elbe: Modell der venezianischen Prunkgondel

August der Starke ließ es an nichts fehlen. Um zu zeigen, dass Sachsen mit der Vermählung seines Sohnes in die Champions League der europäischen Adelshäuser aufgestiegen war, ließ er prächtige Feste organisieren. Allein zwölf große Segelschiffe wurden in Hamburg gebaut, die die Braut in einer Flottenparade über die Elbe begleiten sollten. Die Prunkgondel, deren Modell im Verkehrsmuseum zu sehen ist, gab er bei einem Gondelbauer aus Venedig in Auftrag. Beim Einzug in Dresden stieg das Brautpaar schließlich in die Hochzeitskutsche um, eine prächtige Grand Carrosse mit sieben Fenstern. Das Original ist nicht erhalten. Die große goldene Kutsche im Lichthof des Verkehrsmuseums stammt von einem Wagenbauer in Paris aus dem 18. Jahrhundert und ist nahezu im Originalzustand erhalten.

Schubkarren als Transportmittel für kleine Dinge …

Sie erinnert ein wenig an „Cinderella“, wobei die Reisebedingungen damals jedoch alles andere als märchenhaft waren. Befestigte Straßen gab es noch nicht. Trampelpfade und Handelswege waren je nach Wetterlage schlammig oder staubtrocken, Achsbrüche, Unfälle und Überfälle keine Seltenheit. Das Reisen war dementsprechend gefährlich und auch unbequem. Während die Erzherzogin in der Kutsche reiste, ritt ihr Gatte übrigens auf dem Pferd von Wien nach Dresden. Der Wagen war allein der Dame vorbehalten. Handwerker, Bauern und die Mehrheit der Bevölkerung reisten damals per pedes oder – wenn genug Kleingeld vorhanden war – auch mal mit der Postkutsche. Für Transporte leistete ansonsten ein Schubkarren gute Dienste.

Ein langer Weg: 9 Tage reine Reisezeit rechnete man 1719 von Wien bis nach Dresden.

Das Brautpaar hatte es da schon besser. Begleitet von einem riesigen Gefolge und von Boten, die regelmäßig Bericht über den Fortschritt der Reise erstatteten, kamen sie schließlich wohlbehalten in Dresden an. Und hier wurde kräftig weiter gefeiert, mit Planetenfesten und allem, was dazu gehört. Eine logistische Herausforderung war ein solches Großereignis auch damals schon: Die rund 1000 Gäste kamen aus allen wichtigen Adelshäusern Europas und mussten zum Teil bei den Bürgern der Stadt untergebracht werden. Problematisch war zudem die „Parkplatzsituation“, denn für die Kutschen und Pferde der Gäste war in den engen Gassen der damals 20.000 Einwohner zählenden Stadt kaum Platz. Sie mussten auf die Ostra-Wiese ausweichen.

Der Schlitten, in dem Friedrich August und Maria Josepha sich kennenlernten.

Warum dieses imposante Fest bis heute noch nachhallt? Vielleicht weil Dresden ohne die Hochzeit nicht wäre, was es ist. August der Starke ließ für die Feierlichkeiten Bauten errichten, die es zum Teil heute noch gibt. Der Zwinger ist vielleicht eines der bekanntesten davon. Zudem ließ er das Taschenbergpalais als Wohnraum für das Brautpaar einrichten und den Palaisteich im Großen Garten anlegen. Ausgangspunkt für das Spektakel war übrigens eine Schlittenfahrt durch Wien, bei der das Brautpaar sich zum ersten Mal begegnete – ein Fortbewegungsmittel also.

Sonderausstellung „Von Prunkgondeln, Prachtkutschen und Pferdeäpfeln.“ 30. August 2019 bis 5. April 2020

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