Musik für die Seele

Katie Melua macht die Junge Garde zu ihrem Wohnzimmer

Wüsste man nicht, dass Katie Melua seit ihrer Jugend weltweit als Star gefeiert wird, man könnte ihr Konzert in der Jungen Garde Dresden für eines jener Hinterhofkonzerte halten, zu denen gemeinhin nur Eingeweihte Eintritt finden. Schnörkellos ist hier das Zauberwort, technisch nahezu perfekt sind ihre Interpretationen, die sie an der Gitarre zusammen mit ihrer Band in der Sommerluft präsentiert. Schnell folgen erste Ansagen, in denen Katie Melua Dresden lobt, die Menschen hier, die zauberhafte Kulisse der Open-Air-Spielstätte. Sie tut das, weil sie es eben jeden Abend tut auf ihrer kleinen Tour, meint man noch im ersten Moment. Aber im Leben ist manches anders, als es scheint. So wie ein Songtext oft tiefere Wurzeln hat, als seine Melodie vielleicht vermuten lässt.

Es sind mehr ihre georgischen als ihre irischen Wurzeln, die Katie Melua an diesem Abend betont. Egal, ob sie „In My Secret Life“ von Leonard Cohen, „Kozmic Blues“ von Janis Joplin, „Wonderful World“ von Louis Armstrong oder ein paar ihrer eigenen großen Hits wie „Nine Million Bicycles“ singt, sie bleibt dabei stets ganz bei sich selbst. Die zierliche Frau mit dem besonderen Knistern in der Stimme steht da im roten Kleid, die Gitarre in der Hand und verführt das Publikum mit unaufgeregten Interpretationen. Sie hat viel Kuschelpop im Gepäck, fühlt sich in jazzigen und rockigen Gefilden aber mindestens genauso wohl. Da schlummert Temperament in der Stimme. Da sitzt jeder Ton. Ihre kurzen Moderationen kommen aus dem Herzen, ohne Ausschweifungen. Ohne Starkult.

Nein, es geht nicht um sie an diesem Abend. Es geht um das Gefühl zu Hause zu sein, angekommen in der Musik. Natürlich schillert stets ihr Leben in den süffigen Melodien durch, die so sanft durch den lauen Sommerabend gleiten, als wollten sie einen stillen Moment des Friedens heraufbeschwören. Zu jedem Song hat Katie Melua eine Geschichte mitgebracht: Erlebnisse, Erinnerungen und Gefühle wie der erste Liebeskummer oder das Kribbeln im Bauch, das sie vielleicht als Kind spürte, als sie mit ihrem Bruder (dem Gitarristen des Abends) in einem alten Flugzeugwrack aus dem Bürgerkrieg in Georgien spielend von Reisen nach Paris träumte. Nicht ihre berühmtesten Titel werden jedoch zum Höhepunkt des Abends, sondern ausgerechnet das Lied „If You Are So Beautiful“, das sie statt in feinstem British English in ihrer Muttersprache Georgisch singt. Es klingt fremd und doch so nah, als würde sie eine bisher seltene offenbarte Facette ihrer selbst darin freilegen.

So schafft es Katie Melua, in der Parkbühne mit 5000 Plätzen eine intime Atmosphäre zu zaubern, die zweitweise den Eindruck erweckt, als spiele sie für jeden Einzelnen nur ganz allein. Bescheidenheit ist das Zauberwort. Die Verbundenheit mit Dresden keine leere Floskel. Sie habe einem befreundeten Regisseur von ihrem Gastspiel in Dresden geschrieben, der daraufhin von den kreativen Sachsen geschwärmt habe und ihnen Grüße ausrichten ließ. Melua richtet sie aus – und das ganz ohne Pathos, einfach weil sie es will. Nach dem Konzert und drei Zugaben nimmt sie sich noch viel Zeit für Fotos und Autogramme, sie lacht am Bühnenrand mit ihren Fans. Wer das Spektakel beobachtet, der sieht hier keine distanzierte Künstlerin, sondern eine zarte Frau mit großer Stimme, viel Herz und untrüglichem Gespür für starke Texte mit feinen Zwischentönen, die in einer lauten Zeit wieder Freude am Hinhören wecken.

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Ein Kommentar

  1. Viel besser (weil ausgeruhter und genauer) als jene Rezis in den Tagesblättern – und haltbarer. Weiter so!

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