Initialzündung für eine kleine Revolution?

Gedanken zur Bewerbung Dresdens als Europäische Kulturhauptstadt

Die Jahreszahl 2025 schwebt wie eine Wolke über der Stadt. Ob es eine dunkle oder eine Schatten spendende ist, wird sich in den nächsten Monaten vielleicht zeigen. Feststeht, die Vorbereitungen für die Bewerbung Dresdens als „Europäische Kulturhauptstadt 2025“ nehmen langsam Fahrt auf. Acht Projektgruppen aus Vertretern von Dresdner Kulturinstitutionen, Kultur- und Kreativschaffenden arbeiten derzeit an tragbaren Projektkonzepten für die Kulturhauptstadt. Schon im Juni sollen diese vorgestellt und einige davon ins sogenannte Bidbook für die Bewerbung aufgenommen werden. Eine Ausstellung im Hygienemuseum wird die Ideen zudem bündeln und für die Bürger sichtbar machen.

Hinzu kommen zahlreiche Veranstaltungen, mit denen das Kulturhauptstadtbüro auch die Dresdner für das Thema sensibilisieren möchte. So steht etwa am 28. April die nunmehr dritte Ausgabe der Diskussionsreihe „Streitbar!“ an, die dieses Mal in der Semperoper mit Peter Konwitzschy, Christine Lemke-Matwey und Malte Thran die Frage „Wie politisch ist Kunst?“ behandelt. Dennoch befinden wir uns noch lange nicht auf der Zielgeraden. Immer wieder werden Zweifel und Fragen laut. Kann eine Stadt wie Dresden überhaupt Kulturhauptstadt werden, wo sie schon immer eine bedeutende Kulturstadt, ja ein kulturelles Zentrum war? Gerade Dresden!? Die konservative, immer ein bisschen vergangenheitsselige Stadt, dieses Dresden „mit all seinen Problemen“ in den vergangenen Jahren?

Das alles sind Fragen, die man als Dresdner oft hört, wenn es auf das Thema Kulturhauptstadt kommt. Und ja, Dresden ist kein Underdog, wie es Essen war und Chemnitz wäre. Dresden war und ist schon immer mehr von Kultur als von Industrie geprägt. Dresden ist schön. Dresden ist groß, hat hohe Geburtenraten und eine hohe Lebensqualität. Nicht erst seit gestern. Das heißt aber nicht, dass Dresden sich nicht noch weiterentwickeln könnte. Schon jetzt hilft die Bewerbung um den Titel, die Kultureinrichtungen besser zu vernetzen, um das ganze große Potenzial, das in unserer Kulturstadt schlummert, noch besser auszunutzen. Ist es nicht schon ein Gewinn für Dresden, dass verschiedene Akteure und Veranstalter jetzt an einem Tisch sitzen und gemeinsam um Ideen ringen?

Tatsächlich ist Dresden mit „seinen Problemen“ kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Synonym für die Probleme in der ganzen Welt geworden. Dresden ist ein Brennspiegel. Das immer wieder gern bemühte Exempel von Dresden lädt zum Nachdenken darüber ein, wie verhärtete Fronten in der Gesellschaft aufgeweicht werden können und Verstehen wieder möglich wird. Das Motto für die Kulturhauptstadtbewerbung heißt nicht von ungefähr „Neue Heimat“ – es fordert ganz bewusst auf, zu streiten, zu diskutieren, sich zu reiben. Dinge, die eine Gesellschaft voranbringen können, in Dresden bislang aber noch kaum öffentlich passiert sind. Insofern hat die Beschäftigung mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 durchaus schon eine gewisse Dynamik in der Stadt erzeugt.

Eine Dynamik, die nun jedoch – und das ist der Knackpunkt – auch die Bürger noch erreichen muss. Überall, in jedem Stadtteil. Solange viele Dresdner sich nur zurücklehnen und resigniert behaupten: „Ach, das mit der Kulturhauptstadt wird doch sowieso nüscht!“, hat Dresden keine Chance. Es gilt, Konzepte und Ideen zu finden, die alle ansprechen, die eben nicht bloß für gebildete Feuilletonleser und Kulturfreunde gemacht sind. Das heißt im Umkehrschluss auch, Dresden muss herabsteigen vom Bildungsbürger-Elfenbeinturm. Das zumindest wäre eine klare Entwicklung! Eine wirklich innovative für eine Kulturhauptstadt noch dazu: Nicht hin zur Kultur, sondern zu einer offenen Stadtgesellschaft, die alle einbezieht. Und ist der Weg dahin auch noch weit, er könnte doch revolutionär sein …

*Nicole Czerwinka ist für die Dresdner Musikfestspiele Mitglied in einer der acht Projektgruppen für die Kulturhauptstadtbewerbung 2025.

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