Zäh wie Kaugummi

„Ariadne auf Naxos“ wird an der Semperoper Dresden zur Geduldsprobe – immerhin mit guter Musik

Dinner in der Oper? Regisseur David Hermann macht’s möglich: Er platziert eine fein gekleidete Gesellschaft am reich gedeckten Tisch im Rundfoyer. Drei Musiker spielen zur illustren Abendrunde. So beginnt das Spiel mit dem Spiel in Richard Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“ an der Semperoper (Fotos: Ludwig Olah) schon eher als gedacht, ragt mittenrein ins echte Opernleben. Hermann lässt die feine Festgesellschaft vor der Vorstellung und während der Pause verheißungsvoll in Pantomime plaudern. Vielleicht reden sie über die Kunst? Vielleicht über die Liebe? In jedem Fall fließt guter Champagner. Am Ende begegnen sie uns auf der großen Bühne erneut, wandern durch das Bild.

So schließt sich geschickt der Kreis. Zwischen diesen beiden Szenen dürfen die Besucher vom Dresdner Hausgott Richard Strauss vor allem eines erwarten: ein erstklassiges Musikerlebnis. Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist dafür geradezu ein Garant. Er kann in dem kleinen Kammerorchester, das Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal vorgesehen haben, jenes Flackern entzünden, das die Musik zu etwas ganz Besonderem macht. Thielemann steigert die Intensität sachte, bis endlich die große Dramatik in der Musik hereinbricht, als könne es gar nicht anders sein.

Und dennoch bleibt der große Opernzauber diesmal aus. Die Handlung zieht sich wie Kaugummi. Den genialen musikalischen Einfällen in Strauss‘ vielschichtiger Partitur, die immer wieder neue Facetten freigibt, steht die gähnende Langweile einer belanglosen Inszenierung gegenüber. Die Idee vom Spiel im Spiel, in dem antike Tragödie und Rokokokomödie aufeinandertreffen, um die großen Fragen des Lebens zu spiegeln, kann am Ende nicht einmal durch die besten Sänger im Ensemble hinreichend gerettet werden.

Nur so viel nochmal zum Stück: Strauss und Hofmannsthal stellten in der „Ariadne auf Naxos“ mit der Verschränkung von Tragödie und Komödie zwei Lebens- und Liebeskonzeptionen gegenüber. Der kurzen Oper hat Hofmannsthal nachträglich ein kurzes Vorspiel hinzugefügt, in dem Strauss bereits wichtige Motive der Oper wie im ironischen Zerrspiegel anklingen lässt. Und was da alles drinsteckt! Während im Vorspiel noch die Künste miteinander streiten, ob nun Komödie oder Tragödie das Wahre ist, geht es in der Oper um Treue und die Fähigkeit zur Verwandlung als Voraussetzung des Lebens und Liebens überhaupt.

In Hermanns Inszenierung jedoch bleiben all die verzwickten Verschränkungen statisch. Bis auf ein paar kecke Kostümeinfälle für die Komödianten (Kostüm: Michaela Barth) und einer phantasievollen Waldlandschaft, die an schwarze Ödnis grenzt (Bühnenbild: Paul Zoller), bietet er fürs Auge nicht viel. Das Vorspiel kommt kaum über bloßes Türengeklapper hinaus. In der Oper immerhin rückt dann ganz die Musik in den Vordergrund.

Am Ende ernten die Sänger und die Kapelle verdienten Applaus. Allen voran Daniela Sindram, die als Komponist im Vorspiel mühelos zwischen wohldosierter Hysterie und lyrischen Passagen changiert. Krassimira Stoyanova ist eine stimmlich betörende Ariadne und bringt deren enttäuschte Sehnsucht nach dem Tod berührend zur Sprache. Daniela Fally bildet in der Partie der Zerbinetta den quirligen Kontrapunkt. Im Vorspiel erscheint sie zunächst als (allzu) grelle Diva, zeigt in der Oper aber gehörige stimmliche Wandlungsfähigkeit. Stephen Gould bereichert als aufrüttelnder Bacchus das Spiel. Evelin Novak, Simone Schröder und Tuuli Takala entzücken als Nymphen und Echo.

Jenseits des schönen Gesangs wirken all diese Figuren jedoch blutarm, lebendig machen sie uns das Stück nicht. Große romantische Oper als Klangmuseum? Beim nächsten Mal darf es bitte wieder etwas mehr sein!

„Ariadne auf Naxos“ an der Semperoper Dresden, wieder am 5., 8., 12. und 14. Dezember

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