Bach als Sieger ohne Duell

Herbstauslese: Ralf Günthers neue Novelle „Als Bach nach Dresden kam“

Zugegeben: Der Name Johann Sebastian Bachs ist eher mit Leipzig, denn mit Dresden verbunden. Dass er dennoch auch das Dresdner Musikleben prägte, steht außer Frage. Der Autor Ralf Günther erinnert mit seinem neuen Buch „Als Bach nach Dresden kam“ nun an ein Gastspiel des großen Komponisten in der Residenzstadt, das beinahe vergessen schien.

Es ist eine fiktionale Erzählung, keine Dokumentation, mit der Günther den Leser ins 18. Jahrhundert entführt. In dieser Zeit war tatsächlich der Geiger Jean-Baptiste Woulmeyer Direktor der französischen Hofkapelle Augusts des Starken. Und wenn man den Berichten von Zeitzeugen Glauben schenken darf, so galt er als einer der hochbeachtesten Musiker seiner Tage.

Dieser Woulmeyer, der sich selbst bei Hofe lieber im modischen Französisch Volumier nannte, wird zur eigentlichen Hauptfigur der Erzählung. In der Hoffnung, dem Dresdner Hof ein ganz besonderes musikalisches Spektakel zu bescheren, organisiert Volumier einen Tastenwettstreit zwischen Johann Sebastian Bach und dem europaweit gepriesenen Tastenvirtuosen Louis Marchand. Solche Duelle waren damals bei Publikum wie Musikern beliebt. Ging es doch nicht nur um ein Preisgeld, sondern konnte ein Wettstreit großer lebender Virtuosen für alle Beteiligten auch inspirierende Wirkung entfalten.

Im Jahr 1717 sollte dieses Duell zwischen Bach und Marchand nun also in Dresden stattfinden. Doch es blieb nicht dabei. Marchand reiste – aus welchen Gründen auch immer – vorschnell aus der Stadt ab. Bach spielte daher ohne Gegner ein eindrucksvolles Konzert vor dem Publikum. Wie es Volumier dabei ging, entzieht sich unserer Kenntnis. Ralf Günther nimmt diese unerhörte Anekdote der Musikgeschichte nun zum Anlass für seine neue Novelle. Er malt ein atmosphärisches Bild der Zeit und Dresdens im 18. Jahrhundert, erfindet Figuren hinzu, die historisch zwar nicht belegt sind, die er aber so lebendig zeichnet, dass man ihre Existenz kaum in Frage stellt.

Volumier erscheint hier als eingefleischter Junggeselle, dem die Musik und die kluge Ausübung seines Amtes über alles gehen. Er knüpft Verbindungen, reist durch halb Europa und muss unvorhergesehene Situationen immer wieder zum Guten wenden. Ralf Günther verschont den Hofkapellmeister nicht, während er Johann Sebastian Bach als gottestreuen Familienmenschen beschreibt. Marchand hingegen ist ein allzu leidenschaftlicher Flegel, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist.

Diese drei grundverschiedenen Figuren vor Augen, taucht der Leser ein ins höfische Musikleben des 18. Jahrhunderts. Eine Zeit, in der der Klang der Musik nie ganz frei von Intrigen war, in der von der Gunst des Herrschers für den Virtuosen nahezu alles abhing. Günther bringt uns hier ein Dresden nah, das uns heute fern scheint: Die Frauenkirche war noch nicht gebaut, das Konzertleben stark von höfischen Abläufen geprägt. Besonders stilvoll gelingt es ihm, den Duktus der Sprache dieser Zeit für heutige Ohren verständlich nachzuempfinden.

So folgt man ihm gern auf diese kleine, unterhaltsame Zeitreise ins 18. Jahrhundert. Für die Fakten, auf die sich die Fiktion stützt, gibt es ja das Nachwort von Jan Katzschke.

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