Mit der Rennpappe gen Süden

„Go Trabi Go“ weckt in der Theaterfassung an der Comödie Dresden gute Nachwende-Erinnerungen

Familie Struutz ist wieder auf Reisen. Mit dem himmelblauen Trabant „Schorsch“ geht es bei „Go Trabi Go“ (Fotos: Robert Jentzsch) an der Comödie Dresden rund. Von Bitterfeld bis nach Neapel wollen Papa Udo, Mama Rita und die freche Jaqueline mit der Rennpappe düsen, um die neu gewonnene Freiheit nach der Wende zu genießen. Der gleichnamige Film von Peter Timm und Reinhard Klooss aus dem Jahr 1991 ist lange schon Kult, nun erobert die Story in der Fassung von Christian Kühn als rasante Roadkomöde auch die Theaterbühne.

Trabi Schorsch ist dank Rollkonstruktion am Unterboden der Star des Bühnenbilds von Karel Spanhak und wird beim ersten Auftritt jubelnd vom Publikum begrüßt. Regisseurin Katja Wolff geht behutsam mit der Vorlage um. Die schlagfertigen Film-Dialoge bleiben erhalten. Das sächselnde Lokalkolorit das Wolfang Stumph, Marie Gruber und Claudia Schmutzler im Film salonfähig machten, importieren Dominik Walenciak und Carsten Golbeck sogar in die Songs der Bühnenfassung, die zwischen den Szenen für ausgelassene Stimmung und auch für den einen oder anderen nachdenklichen Moment sorgen.

Anders als im Film und trotzdem genauso gut: „Go Trabi Go“ an der Comödie Dresden.

Wenn die Regensburger Verwandtschaft aufgeschreckt vom „Ost-Besuch“ schließlich „Die Sachsen sind da“ trällert, bekommt das derzeit natürlich noch eine ganz andere Dimension. „Door Schorsch“ und die Kittelschürze sind jedoch die einzigen Requisiten, die hier vergangenheitsselige DDR-Ostalgie verbreiten könnten. Die Kostüme von Saskia Wunsch erstrahlen im bunten 90er Look. Ein zur Rampe geformter Fahrstreifen als Kulisse lässt sich wunderbar als Tanzfläche (Choreografie: Jörn-Felix Alt) nutzen. Für die Szenen im fahrenden Trabi gibt es ja noch die Seitenbühne, auf der Familie Struutz durchgeschüttelt vom Zweitaktmotor durch Europa düst.

Die drei Hauptdarsteller haben die Filmszenen eingehend studiert und bewegen sich nah am Original, wobei sie dem Stück dennoch ihre eigene Note verleihen. Lucille-Mareen Mayr spielt die Jacqueline mit jugendlichem Enthusiasmus und frecher Schnauze. Wenn sie begeistert „deli“ ausruft, flimmern sofort die Filmszenen von damals vor dem inneren Auge auf. Anja Pahl verteilt als „Mamma“ Rita im Trabi fleißig „Bemmen“, kann der Rolle bei allem Ulk aber dennoch Charakter verleihen. Und Lorenz Liebold gibt den manchmal etwas verbohrten Trabi-Fahrer Udo vielleicht nicht mit der sonoren Stimme eines Wolfang Stumph, aber auf jeden Fall mit Herz. Maren Kern hat als Wessi-Tante Gerda sowie als geschäftstüchtige Werkstattleiterin starke Auftritte, während Tim Ludwig als Trabi-Witz süchtiger Kraftfahrer im Kopf bleibt: „Wofür steht Trabant 601? 600 bestellen, einer bekommt ihn!“

Herzerfrischend erwachen die Filmszenen von damals so zu neuem Leben, ohne dass Katja Wolff in ihrer Inszenierung auf eigene Akzente verzichtet. Ganz so seicht wie es scheint, ist der Stoff nämlich nicht. Geht es doch um eine ganz normale Familie, deren Mitglieder zwischen Alltag und Illusionen schon mal ihr Gegenüber aus den Augen verlieren. Veränderungen ist auf dieser Reise nicht nur Trabi „Schorsch“ unterworfen, schließlich bringt der Aufbruch zu neuen Möglichkeiten auch immer neue Erkenntnisse und Entwicklungen mit sich.

Für das Publikum freilich bleibt viel Vergnügen. Die Freude daran, längst bekannte Filmszenen auf der Bühne nochmal neu zu entdecken, scheint ungebrochen. Mehr als einmal gibt es Szenenapplaus, am Ende stehende Ovationen und minutenlangen Beifall – auch von einigen Filmdarstellern, die zur Premiere anwesend sind – für diese unterhaltsame Ausfahrt in die 90er.

„Go Trabi Go“ an der Comödie Dresden, wieder am 2. bis 7. Oktober, 9. bis 14. Oktober, 16. bis 20. Oktober 

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.