Premiere im Doppelpack

Die Staatsoperette Dresden startet mit zwei humorvollen Einaktern in die neue Saison

Kurze, amüsante Formate sind nicht bloß im TV ein beliebtes Genre. Die Staatsoperette Dresden zeigt Franz von Suppés Operette „Die schöne Galathée“ und Giacomo Puccinis bitter ironischen Opernspaß „Gianni Schicchi“ in einem unterhaltsamen Doppelabend. Das scheint gewagt. Ist doch das einzige, was diese beiden Einakter auf den ersten Blick gemeinsam haben, ein guter Plan des Protagonisten, der am Ende außer Kontrolle gerät. In der Regie von Axel Köhler und mit den Bühnenbildern von Arne Walther fügt sich dies jedoch zum runden Musiktheatererlebnis (Fotos: Kai-Uwe Schulte-Bunert).

Mit „Die schöne Galathée“ startet dieser zunächst unbeschwert. Andreas Schüller lässt das Orchester der Staatsoperette Dresden in der Introduktion vor geschlossenem Vorhang schwelgen. Ganz ohne Bilder entwickeln die schmissigen Melodien dennoch einen gewissen Sog, wecken Neugierde auf das, was nun kommen mag. Die komisch-mythologische Operette mit dem Text von Poly Henrion kommt an der Staatsoperette in der Dialogfassung von Axel Köhler auf die Bühne. Als sich der Vorhang hebt, befinden wir uns mitten in der lichten Bildhauerwerkstatt von Pygmalion, die auch ein modernes Atelier in einem alten Fabrikgebäude der Friedrichstadt sein könnte.

 

Der Bildhauer Pygmalion kommt im legeren Hemd und Leinenhose an, sein junger Gehilfe Ganymed ist in der Inszenierung ein patenter Praktikant. Das Stück scheint so ein wenig vom Operettenglamour entschlackt. In Musik und Handlung bleibt schließlich genug davon. Der Text handelt von Verführung und Erotik, Träumen und Realität sowie von der Schöpfung des Künstlers. Die erwacht in dem Stück in Form einer schönen Marmorstatue, der Galathée, zum Leben und bekommt von Maria Perlt nicht nur brodelndes Temperament, sondern auch erotische Verführungskraft verliehen. Perlt bestimmt das Spiel stimmlich wie darstellerisch vom ersten Ton an. Johannes Strauß erscheint hingegen eher als naiv, zurückhaltender Schöpfer Pygmalion.

Polternden Humor bringt Andreas Sauerzapf in der Partie des Kunstmäzens Mydas ins Spiel. Sogleich verdreht ihm die Schöne den Kopf, jedoch will Galathée nur sein Gold. Ihre ganze Leidenschaft gehört von Anfang an Ganymed, den Antigone Papoulkas in der Hosenrolle entzückend in Szene setzt. Nicht zu vergessen Anna-Luysa Grumbt, die als goldene Venus zum schillernden Blickfang fürs männliche Publikum wird. Sie ist die personifizierte Zauberin, die Galathée zum Leben erweckt und dem wilden Treiben ein abruptes Ende setzt, bevor sich der Vorhang für die italienische Oper hebt.

Der drallen Operette von Suppé folgt mit „Gianni Schicchi“ eine raffinierte opera buffa, die Puccini nach dem Libretto von Giovacchino Forzano ursprünglich für einen dreiteiligen Zyklus von Einaktern schrieb, von denen sich das Stück mit Abstand als am erfolgreichsten erwies. Pygmalions Werkstatt ist nun einem düsteren, schwarz getäfelten Salon gewichen, in welchem das Sterbebett des reichen Buoso Donati den einzigen weißen Fleck bildet.

Ohne Frage ist Puccinis Musik weit komplexer als die der Operette, die Story noch stringenter, voller schwarzem Humor. Hintersinnig zeigt Axel Köhler eine raffgierige Mafia-Familie im Trauergewand. Das Orchester wechselt in einen dramatischen, rauschenden Duktus. Das turbulente Durcheinander auf der Bühne wird von Seufzern, spitzen Tönen, Dissonanzen koloriert, in denen einzig die berühmte Arie der Lauretta „Papa, so hab‘ doch Mitleid“ einen Kontrapunkt italienischer Sehnsucht setzt.

Das agile Ensemble zeigt eine Familie, in der kaum einer wirklich trauert, weil alle bloß eigene Interessen verfolgen. Statt der goldenen Venus holt der junge Rinuccio den Bauern Gianni Schicchi als bösen Rachenengel in den engen Kreis. Da der alte Buoso sein ganzes Vermögen einem Kloster vermacht hat, soll dieser nun posthum das Testament zugunsten der Sippe verändern. Und Gianni Schicchi tut, wie ihm geheißen, nur dass die Familie natürlich ihre Rechnung ohne das Schlitzohr gemacht hat.

In der Oper geht es noch lebhafter zu als in der schönen Galathée. Das Stück erscheint hier als eine einzige große Ensembleszene, in der die Verwandtschaft versucht zu retten, was noch zu retten ist. Stimmlich sticht dabei Silke Richter als Cousine Zita heraus. Richard Samek verzaubert als deren Neffe Rinuccio, ebenso wie Annika Gerhards, die mit Laurettas berühmter Arie Szenenapplaus erntet. Ralf Lukas ist ein wandlungsfähiger Gianni Schicchi, der das Spiel ebenso schnell dominiert wie Maria Perlt im vorherigen Stück. Einen Bogen dazu schlägt auch Johannes Strauß, der hier in der Partie des Neffen Gherardo auftritt.

Letztlich tun sich dabei doch einige Parallelen auf: Bei Puccini geschieht – ähnlich wie bei Suppé – im abgeschlossenen Raum schier Unglaubliches. Dort erwacht die marmorne Schönheit zum Leben, hier wird der tote Vetter durch einen Schauspieler wieder quickfidel. In beiden Fällen ohne den erhofften Effekt, dafür mit unabsehbaren Folgen für alle. Verführung und Gier, Naivität und Sehnsüchte bilden den Antrieb für dieses unterhaltsame Doppel, das in der direkten Begegnung von Oper und Operette viel Raum für Entdeckungen eröffnet – und dabei glänzende Unterhaltung bietet.

Info: Doppelabend „Die schöne Galathée“ und „Gianni Schicchi“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 30.10., 8.11., 9.11., 22.11., 23.11., 28.12., 29.12.

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