Alles Cello – was auch sonst?

Die „Cellomania“ der Musikfestspiele huldigt dem Instrument und setzt ungeahnte Energien frei

Minutenlanger Beifallssturm und stehende Ovationen, das hat man nach einem klassischen Konzert selten so erlebt. Zumindest nicht nach fast fünf Stunden reinem Kammermusikprogramm, bei dem neben dem Steinwayflügel ein einziges Instrument im Rampenlicht stand: das Violoncello. Mit einer furiosen „Langen Nacht des Cellos“ hat die „Cellomania“ (Fotos: Oliver Killig) bei den Dresdner Musikfestspielen gestern ihren umjubelten Ausklang gefunden.

Intendant Jan Vogler hat zu diesem Festival im Festival rund 20 der weltweit besten Cellokollegen nach Dresden eingeladen, um mit ihnen und dem Publikum die Faszination für das Instrument zu feiern. Klar, dass der Festivalchef dabei auch selbst zum Cello greift: Als Solist der Königlichen Kapelle Kopenhagen mit seinem Vorgänger Hartmut Haenchen am Pult eröffnete er die Musikfestspiele samt Cellomania mit Schostakowitschs 2. Cellokonzert, das den rauen Charakter des Instruments besonders gut zur Geltung bringt.

Danach überließ Vogler gut zehn Tage lang zunächst seinen Kollegen das Rampenlicht. Fast möchte man sagen, im ersten Drittel der Musikfestspiele hat das Cello das Dresdner Konzertleben geprägt wie noch nie zuvor. Cellisten mehrerer Generationen trafen auf und hinter der Bühne zusammen. Das bot Gelegenheit für Fachsimpeleien rund um das Instrument und bereitete viel Freude bei den gemeinsamen Proben und Auftritten. Die ganz jungen durften in Meisterkursen von der Erfahrung der Älteren profitieren. Steven Isserlis inspirierte beim Kinderkonzert die kleinen Zuhörer.

Darüber hinaus – auch das liefert Stoff für interessante Geschichten – trafen mit den Cellisten Jahrhunderte alte Instrumente in Dresden aufeinander, die sich noch nie oder wenigstens einige Jahrzehnte lang nicht begegnet sind: Stradivari, Guarneri, Goffriller, Vuillaume und Maggini, der Baumeister wären viele hinzuzufügen. So farbenreich wie die Cellokästen in den Garderoben war auch der Klang der Celli im Konzert. Typische Eigenheiten etwa eines Stradivari offenbarten sich selbst aufmerksamen Laien im direkten Vergleich.

Schwelgerisch und frech, verträumt und virtuos, mutig und lebendig, vor allem aber voller Euphorie für ihr Instrument zeigten sich deren Besitzer in diesen Tagen in vielfältigen Formationen. Nur selten gelingt es überhaupt, verschiedene Spitzeninterpreten auf dem Cello in einem Konzert zu vereinen. Bei der Cellomania jedoch war genau das Programm.

Schon mit Johannes Moser und Daniel Müller-Schott, die mit den Dresdner Kapellsolisten unter Helmut Branny die Haydn-Konzerte Nr. 1 (Moser) und 2 (Müller-Schott) für Violoncello und Orchester spielten, sah und hörte man an nur einem Abend zwei völlig unterschiedliche Künstlercharaktere. Mischa Maisky und seine Kinder Lilly (Klavier) und Sascha (Violine) beschwörten mit Rachmaninow und Schostakowitsch Kammermusikatmosphäre im Saal des Kulturpalasts herauf. Pablo Ferrández, Narek Hakhnazaryan und Marie-Elisabeth Hecker gaben im Palais im Großen Garten als „Junge Wilde“ eine Kostprobe ihres Könnens.

Die Bachsuiten und die Beethovensonaten, an je einem Abend von verschiedenen Solisten gespielt, offenbarten selbst feine Unterschiede in Schule, Spieltypus und Charakter der Ausführenden. Die Faszination dieses Formats ist in dieser Dichte sonst nur bei Wettbewerben und Meisterkursen zu erleben, da allerdings bei Weitem nicht auf einem solch hohen Niveau. Gerade diese beiden Konzerte gaben rückblickend schon einen vagen Vorgeschmack auf das, was die Zuschauer zur „Langen Nacht des Cellos“ erwarten würde. Sie bildete schließlich den Gipfel- und Höhepunkt des Ganzen, war am Pfingstmontag ein krönender Abschluss für alle Beteiligten.

Nahezu alle Cellomania-Interpreten waren hier nun auf einer Bühne vereint – inklusive des Gastgebers Jan Vogler, versteht sich. Ein Faszinosum, wie die Generationen und Schulen in dieser Nacht zu einem runden Programm verschmolzen. Kleine Häppchen und kurze Auftritte, schnelle Wechsel und mitreißende Ensemblestücke schienen nicht willkürlich, sondern mit viel Herzblut zu einem großen Puzzle zusammengefügt. So zelebrierten die Interpreten das Cello und seine sonoren Klangfarben nicht nur manisch, sie gaben die Freude am Spiel weiter, übertrugen die ganze Euphorie, die das Cellofestival heraufbeschwor, auch ins Publikum und machten den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis.

*Die Autorin dieses Beitrags ist Pressereferentin der Dresdner Musikfestspiele, der Artikel entstand dennoch (so wie alle auf dieser Seite) unentgeltlich und unabhängig von dieser Aufgabe.

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