Märchenzauber auf der Vorderbühne

Die Staatsoperette Dresden zeigt zum Advent eine stimmungsvolle Notversion von „Hänsel und Gretel“

Weihnachten ist ja bekanntlich die Zeit der Wunder. Und Zauberei funktioniert nirgendwo besser als im Theater. So hat die Staatsoperette Dresden nach der Wasser-Havarie im Oktober Bühnenmagie walten lassen und tief in die Trickkiste des Theaters gegriffen, um das Publikum im Advent doch noch im Kraftwerk Mitte verzaubern zu können. Jasmin Solfaghari hat ihre Inszenierung von Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ (Foto: Stephan Floss) flugs für die Vorderbühne eingerichtet. Die ist trotz des Wasserschadens bespielbar – und lässt genug Raum für märchenhafte Illusionen.

Dass es dank dieser Improvisation pünktlich zur schönsten Zeit im Jahr wieder losgehen kann auf der Bühne der Staatsoperette, ist für das Haus wie fürs Publikum ein Geschenk. Alle Besucher erhalten als Entschädigung für die Notlösung 25 Prozent Rabatt auf ihre Karten, Kinder zahlen 7 Euro. Im Programm ist die Aufführung als „halbszenisch“ angekündigt, was allerdings stark untertrieben ist: Denn wer nichts von den Tausenden Litern Löschwasser weiß, die hier am 18. Oktober auf die Bühne schwappten, der würde wahrscheinlich gar nicht bemerken, dass „Hänsel und Gretel“ dieses Jahr in einer abgespeckten Version am Hexenhäuschen knuspern.

Orchester schwelgt in Märchenromantik

Das Orchester der Staatsoperette Dresden entführt unter der Leitung von Andreas Schüller schwelgend in romantische Märchenwälder und spielt verheißungsvoll, als hätte es sich lange nach seinem Orchestergraben gesehnt. Leandra Johne und Andreja Zidaric geben als Hänsel und Gretel ein entzückendes Geschwisterpaar, das sich fröhlich tanzend und singend von Hunger und Angst ablenkt. Beide lassen die bekannten Lieder wie „Brüderchen, komm tanz mit mir“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ zu hinreißenden Momenten werden. Stimmlich wie darstellerisch stark sind auch Ingeborg Schöpf und Elmar Andree als das von Armut und Hunger geplagte Elternpaar. In der Partie der Knusperhexe sorgt Matthias Koziorowski für Aufruhr. Seine Hexe ist jene Art Schauer-Diva, vor der sich Kinder fürchten und über die Erwachsene lachen können. Vom hinteren Parkett aus tritt sie in den Saal, um bald auf der Bühne den Ofen anzuheizen.

Aufwendiges Lichtkonzept ersetzt Theaterkulisse

Damit das Feuer richtig lodern kann, arbeitet die Inszenierung viel mit Licht- und Bildeffekten. Die Hütte des Besenmachers, der Wald und der Hexenofen werden an die Hinterwand projiziert. Und auch am Märchenpersonal hat die Operette in dem kleinen Rahmen nicht gespart: Sandmännchen (Pauline Weiche) und Taumännchen (Julia Danz) verstreuen sanft Goldregen auf der Bühne. Ein Rabenballett sorgt während der Intermezzi zwischen den Bildern für zauberhafte Zwischenspiele. Im vollmondbeschienen Wald blühen Fliegenpilze auf und flattern Uhus umher. Schöner Höhepunkt ist der Auftritt des Engelchors, der Hänsel und Gretel in den Schlaf singt, während man am linken Bühnenrand ihren Traum verfolgen kann. So tragen Kinderballett und Kinderchor der Staatsoperette ihren Teil zum Bühnenzauber bei.

Zeit vergeht wie im Fluge

Die zwei Stunden bis zum obligatorischen Happy End vergehen fast wie im Fluge. Kaum zu glauben, wie sinnlich und mitreißend ein Provisorium sein kann. Nur selten ist während der Aufführung mal ein Mucksen von den kleinen Zuschauern im Saal zu vernehmen. Der Schlussapplaus zeigt: Dieses Märchen hat alle verzaubert. Die Freude an der neuen Spielstätte scheint auch auf der Vorderbühne kein bisschen getrübt. Nun wünscht man der Operette, dass der ganze Schaden recht bald behoben sein wird und das Spiel vollumfänglich weitergehen kann. Die schöne Adventszeit jedoch ist erstmal gerettet.

„Hänsel und Gretel“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 8.-12.12., 15.-17.12., 19.-23.12.

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