Dialoge zwischen Herz und Verstand

Hörtipp des Monats: Mirjana Rajić – Beethoven, Liszt, Prokofjew

Das ist Klaviermusik zum Träumen: Die Pianistin Mirjana Rajić setzt Werke von Beethoven, Liszt und Prokofjew auf ihrer CD in einen spannungsvollen Dialog. Entstanden ist die Aufnahme zum Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber, wo die serbische Pianistin heute als Lehrkraft arbeitet. Das Programm ihrer Einspielung ist so ungewöhnlich wie persönlich, emotional und kontrastreich, hat sie es doch nicht zuletzt ihren Lehrern gewidmet und drei Kompositionen ausgewählt, mit denen sie ihren künstlerischen Werdegang auch individuell nachzeichnet.

Zum Einstieg bezaubert Mirjana Rajić mit sechs Bagatellen von Beethoven, einem Klassiker der Klavierliteratur. Mit zartem Anschlag verleiht sie den kurzen Stücken sangliche Leichtigkeit, ohne das vorwärtsdrängende, temperamentvolle Moment in Beethovens Musik dabei zu ignorieren. Hat die erste Bagatelle noch einen tänzelnd, unbeschwerten Duktus, so erscheint die zweite im Kontrast dazu ungleich temperamentvoller, die dritte beinahe melancholisch, die vierte dann schon deutlich lebhafter, mit dunklen Schlägen – bis hin zur sechsten, die verträumt ausklingt. Nur winzig sind die Nuancen dieser verschiedenen Stimmungen, die Mirjana Rajić plastisch interpretiert und denen sie feinsinnig Charakter und Tiefe verleiht.

Es ist eine schöne Aufnahme, die man auch deswegen gern hört, weil einmal nur das Klavier, ohne Orchester oder zweites Soloinstrument, im Vordergrund steht, was inzwischen selten ist. Die Werke wirken in ihrer Schlichtheit unmittelbar und eindrücklich – Mirjana Rajić macht sensibel interpretierte Klaviermusik so zu einem intensiven Erlebnis. Bei Franz Liszts Zyklus „Venezia e Napoli“ etwa sieht man im ersten Satz tatsächlich vor dem inneren Auge die Gondeln schaukeln. Rajić interpretiert sehr gefühlvoll und tiefsinnig, lässt den zweiten Satz mit rasenden Fingersätzen dann eindringlich aufleben, bevor der dritte wieder in ruhigere Gefilde segelt.

Die Dramaturgie ist sehr klug gewählt, am Ende erscheint es als würden sich diese drei doch ganz verschiedenen Stücke auf intelligente Weise ineinander verschränken und ergänzen. Mirjana Rajić verzichtet jedoch darauf, ihre Konturen zu verwischen. Sie spielt klar und ausdrucksvoll, betont den Charakter der verschiedenen Werke, ohne ihn übertrieben zur Schau zu stellen. Dabei arbeitet sie sich scheinbar spielend leicht von feinsinniger Innerlichkeit bis hin zu virtuosen Klangkaskaden. Am Ende steht mit Prokofjews Sonate Nr. 8 op. 84 B-Dur das vielleicht intensivste, lebendigste Werk der Aufnahme. Ernst und noch immer hochemotional, tiefgründig wie der Spiegel lässt Mirjana Rajić es schimmern und nimmt ihre Hörer somit von der ersten bis zur letzten Minute gefangen.

Die CD ist über die Hochschule für Musik Dresden zu bekommen, hier.

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