Von Lastern und Verbrechen

Sky duMont liest bei den  Musikfestspielen aus den Memoiren Casanovas

Giacomo Girolamo Casanova war nicht nur bei den Frauen beliebt, sondern auch sonst ein Tausendsassa. Er bereiste sämtliche Metropolen Europas, wurde inhaftiert, floh und brach immer wieder zu neuen Abenteuern auf. Ein Grenzgänger dieses Standes passt nur zu gut in das Programm der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele*, die in ihrem 40. Jahrgang mit dem Motto „Licht“ vor allem Querdenker und Lichtgestalten der Musik in den Mittelpunkt ihrer Konzerte rücken. Und so stand Casanova am Donnerstag (8.6.) im Fokus eines außergewöhnlichen musikalisch-literarischen Abends mit Sky duMont und dem Armida Quartett (Foto: Oliver Killig) im Palais im Großen Garten.

Einen schöneren Ort als dieses barocke Lustschloss in der Mitte des großen Parks hätte man für diese Aufführung kaum finden können, kreuzten sich hier doch einer Romankulisse gleich die Wege des alten Casanova und Dresdens mit denen heutiger Konzertbesucher. Dass Casanova Dresden eng verbunden war, ist hinlänglich bekannt: Seine Mutter Giovanna Maria Farussi (1708-1776) war eine angesehene Schauspielerin am Königlichen Theater, seine beiden Brüder Giovanni Battista (1730-1795) und Francesco (1727-1803) waren Maler und lebten ebenfalls (zeitweise) in Dresden, seine Schwester Maria Maddalena Antonia (1732-1787) war mit dem Hofmusiker Augusto Pietro verheiratet.

Casanova selbst weilte daher oft in Dresden und wird sicher auch hier die eine oder andere Liebschaft erobert haben. Er strandete im Alter von 60 Jahren auf Schloss Duchcov in Böhmen, rund 85 Kilometer von der Residenzstadt an der Elbe entfernt. Eine schicksalhafte Fügung, denn von all seinen Beziehungen und Abenteuern wüssten wir heute vielleicht gar nichts, hätte er nicht 1789 auf dem böhmischen Schloss begonnen, seine Memoiren zu verfassen. In der „Histoire de ma vie“, also der „Geschichte meines Lebens“ beschreibt er auf 1800 Doppelseiten die Zeit von seiner Geburt bis zum Jahr 1774.

Nun lässt sich dies in einem zweistündigen Abend allenfalls schlaglichtartig beleuchten, doch umso fesselnder gelang es Sky duMont und den vier jungen Musikern aus Berlin, den Zeilen Casanovas neues Leben einzuhauchen. Inwieweit die Autobiografie zur Legendenbildung dient sei dahin gestellt, doch zeigt sich schnell, dass Casanovas Worte mehr beinhalten, als nur erotisches Liebesgesäusel. So schreibt er durchaus mit Tiefgang und poetisch aus dem Blickwinkel des alternden Abenteurers über das Leben. Das klingt bisweilen erstaunlich heutig, ist doch von Freiheit, Erinnerungen, Sehnsucht, aber auch von Gut und Böse, von richtigen und falschen Entscheidungen, Lastern und Verbrechen die Rede. Casanovas Texte haben sprachliche Qualität, ja verführen wie vielleicht der Frauenheld einst selbst mit ihrer Eleganz. Sky duMont liest diese oft auch nachdenklichen Zeilen mit bassiger Stimme und warmen Timbre. Er verleiht dem Leben Casanovas im weichen Abendlicht des Palais im Großen Garten so stimmungsvolle Farben.

Ergänzt wird der Vortrag durch das erfrischend temperamentvolle Spiel des Armida Quartetts, das mit Stücken von Haydn und Mozart musikalische Bezüge zum Leben Casanovas sucht. Musik und Text verschränken sich dabei auf gelungene Weise, so als würde das junge Streichquartett die Erinnerungen Casanovas musikalisch zum Leben erwecken. Der war schließlich eng mit Mozarts berühmten Librettisten Lorenzo da Ponte befreundet, dem in dem beinahe philosophischen Abendprogramm denn auch der Schlusssatz gebührt. Als der gesprochen ist, hat sich der Himmel draußen in ein sattes Blau verfärbt, der Vollmond scheint hell über die Alleen, die das Palais einschließen – und gerne würde man noch ein bisschen zuhören und den Gedanken des alten Casanova lauschen.

*Die Autorin dieses Beitrags ist Pressereferentin der Dresdner Musikfestspiele, der Artikel entstand jedoch unentgeltlich und unabhängig von dieser Aufgabe.

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