Ein Künstlerleben als Odyssee zum Glück

Die Landesbühnen Sachsen zeigen Georg Kreislers Musical „Heute Abend: Lola Blau“

Das Rampenlicht aus, die Zigarette an und plötzlich wird Lola Blau ganz nachdenklich. „Im Theater, da ist was los!“, schmettert sie zu Beginn von Georg Kreislers Ein-Frau-Musical „Heute Abend: Lola Blau“  (Fotos: PR/Hagen König) noch enthusiastisch. Doch schon bald muss die jüdische Sängerin Wien verlassen, auch in der Schweiz bekommt sie kein Asyl und geht nach Amerika, wo ihr Talent hemmungslos verheizt wird. So wandert sie in der aktuellen Inszenierung an den Landesbühnen Sachsen von Transportkiste zu Transportkiste am Kultur-Bahnhof in Radebeul Ost, wechselt die Kleider wie die Orte, an denen sie singt, begleitet von Schiffshupen und einem einsamen Klavier.

Ensemblemitglied Iris Stefanie Maier stemmt diesen Abend nahezu im Alleingang und enthüllt immer wieder neue Facetten von Lola, die stets auf der Flucht ist, ohne jemals wirklich das Glück zu finden. Die Geschichte dieser Heimatlosen war auch ein wenig die Geschichte des Komponisten Georg Kreisler selbst: 1922 in Wien geboren, wanderte er 1938 mit seinen Eltern nach Hollywood aus, kehrte nach dem Krieg aber nach Österreich zurück und starb 2011 in Salzburg, ohne sich wirklich zu Hause zu fühlen. Als Kabarettist, Musiker und Autor positionierte sich Kreisler sein Leben lang gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit. Doch ist „Heute Abend: Lola Blau“ weder belehrend noch eine Abrechnung mit dem Regime, sondern vielmehr eine bittersüße Nummern-Revue, die unterhaltsam von einer typischen Künstlergeschichte der 30er Jahre erzählt.

Gerade aus der scheinbaren Leichtigkeit, mit der sich ein Song an den nächsten, ein Auftritt an den anderen reiht, gedeiht in der Inszenierung von Ute Raab jene unterschwellige Melancholie, die berührt und aufhorchen lässt. Die Regisseurin inszeniert stückgetreu, würzt den Beginn mit Zitaten von Georg Kreisler, verzichtet jedoch auf aktuelle Bezüge. So bleibt die Geschichte zwar im Nationalsozialismus verortet, als individuelle Suche nach Erfüllung aber doch zeitlos. Der Bahnhof als Transitraum ist der richtige Ort für das Musical. Irina Steinacher hat für das Kammerstück Stühle rund um die Transportkisten gruppiert, mit Kerzen dekoriert und zaubert so auf engem Raum eine intime Kabarettatmosphäre. Denn das Publikum sitzt mittendrin, ist somit auch Teil der Reise von Lola Blau.

Iris Stefanie Maier entpuppt sich in dem Ein-Personen-Stück hier schnell als wahre Bühnenlöwin, sie stemmt in den knapp zwei Stunden ein ordentliches Programm, überzeugt sowohl stimmlich als auch darstellerisch mit enormer Präsenz. Uwe Zimmermann ist ihr dabei nicht nur ein verlässlicher Partner am Klavier, sondern schlüpft auch hin und wieder mal in eine kleine Statistenrolle. Er würzt das Stück mit kurzen, witzigen Auftritten, ebenso wie Pär Martin Andersson, der als Postbote und Verehrer ins Spiel kommt, wenn er nicht gerade souffliert. Die Szenen wechseln rasch zwischen bunter Show-Welt und einsamen Künstlerleben hin und her, die bekannten Melodien von Georg Kreisler verpacken oft ernsthafte Reflexionen in leichte Walzerrhythmen – und Iris Stefanie Maier tanzt als Lola beherzt zwischen Show und Ernst, zwischen Ausgelassenheit und Melancholie.

Man schaut ihr gern zu auf dieser wechselvollen Odyssee zum Glück. Sie wechselt Röcke und Schuhe, singt, trinkt, bringt zum Lachen wie zum Weinen. Als Lola Blau am Ende aus den USA zurückgekehrt ist und ein Vorsingen am Theater in Wien hat, dreht sie richtig auf, schlüpft energisch von Rolle zu Rolle, singt auf Wienerisch, Berlinerisch, Französisch und Ungarisch. Eine wahre Freude im kleinen Kultur-Bahnhof. Tatsächlich sind es zum Schluss jedoch die stillen Momente und die leisen Lieder, die in Erinnerung bleiben. Da segelt ein Papierschiffchen übers Klavier und Lola tritt mit dem Koffer in der Hand aus der Tür. „Im Theater ist nichts los …“, singt sie zum Schluss. Doch das stimmt nicht. Es ist sehr viel los im Kultur-Bahnhof und der Applaus zeigt, dass Kreislers Wirkung nicht verpufft, seine Musik noch immer berührt, auch wenn die Geschichten, die das Leben schreibt, vielleicht ewig dieselben sind.

„Heute Abend: Lola Blau“ an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 15.4., 27.4. im Kultur-Bahnhof Radebeul Ost sowie am 14.6. im Haus des Gastes in Rathen

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