Das unterschätzte Herzstück

Warum sich Dresden auf die Eröffnung des Kulturpalasts freut – eine Kolumne

Der Countdown läuft: Genau 40 Tage sind es noch bis zur Wiedereröffnung des Dresdner Kulturpalastes am 28. April. Wer zum ersten Mal nach Dresden kommt, wird jedoch kaum verstehen, warum gerade dieses Gebäude für uns Dresdner so besonders ist. Die Architektur ist funktional, erinnert an die Moderne der 1950er Jahre in der DDR und den sozialistischen Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Das hat rein gar nichts mit der barocken Pracht von Frauenkirche, Zwinger und Semperoper gemein, mit denen Dresden sonst so gern wirbt. Und dennoch gehört der Kulturpalast zu den heimlichen Sehnsuchtsorten dieser Stadt.

Denn es ist nun einmal so: Jeder, der in Dresden geboren wurde und hier aufgewachsen ist, verbindet eine ganz persönliche Erinnerung mit dem Kulturpalast. Ich denke da zum Beispiel an die Schulkonzerte der Dresdner Philharmonie, aber auch Musicalabende mit meinen Eltern im großen Mehrzwecksaal und an Dixielandkonzerte vor den schweren Eingangstüren, wo ich als Kind mit meinen Großeltern den swingenden Rhythmen lauschte. Es war irgendwie ganz selbstverständlich, dass wir zu Veranstaltungen wie diesen eben in den Kulturpalast gingen. Aus dem Blickwinkel der kindlichen Augen war das der große Tempel der besonderen Erlebnisse, eine Wundertüte voller Erwartungen, die dem prachtvollen Staatsschauspiel oder der Semperoper in nichts nachstand.

Auch ein kurzer Blick auf die Geschichte des Hauses zeigt, warum der Kulturpalast für Dresden mehr ist als bloß ein nüchternes Zeugnis der Nachkriegsmoderne: 1959 als „Haus der sozialistischen Kultur“ konzipiert, wurde der Kulturpalast vom Architekten Wolfgang Hänsch projektiert und 1969 eröffnet. Ein für verschiedenste Zwecke nutzbares Kulturhaus dieser Dimension gab es in der DDR bis dato noch nicht. Der Mehrzwecksaal galt als größter Veranstaltungsraum im Land und verfügte für damalige Verhältnisse über ungewöhnliche technische Möglichkeiten, wie das Kipp-Parkett, mit dem die Bühne und ein Teil des Zuschauerraums in eine ebene Fläche verwandelt werden konnten. Kein Wunder also, dass die Dresdner schon damals stolz auf ihren „Kulti“ waren.

Kurz nach der Eröffnung 1969 nahmen die Dresdner Philharmonie und die Sächsische Staatskapelle den Mehrzwecksaal in Besitz. Schließlich stand die Semperoper ja erst ab 1985 wieder für Konzerte zur Verfügung. Der Kulturpalast war also beinahe 20 Jahre lang der erste Konzertort am Platz. Doch war hier – und das ist genau der Punkt – nicht nur die Klassische Musik zu Hause. Das Konzept des „Volkshaus-Programms“ sah vor, dass sich im Kulturpalast auch Formate wie die beliebte Kinderrevue „Das Brückenmännchen“ oder das Dixieland Festival etablierten. Zudem wurde das Gebäude bis zu seiner Schließung 2012, also weit über die Wende hinaus, noch als Ort für Kongresse und Tagungen genutzt. Zahlreiche Dresdner feierten hier zudem ihre Jugendweihe.

Zweifelsohne hat der Kulturpalast das Leben der Stadt seit 1969 geprägt – und das nicht nur in kultureller Hinsicht. Über 40 Jahre lang war er im Herzen der Innenstadt ein wichtiges Zentrum der Begegnung mit offenen Türen für jedermann. Die Eröffnung des neuen Kulturpalasts ist daher nicht nur bei den Musikfans mit hohen Erwartungen verbunden, die originalgetreue Sanierung der alten Fassade und der Foyers nach denkmalschutzrechtlichen Vorgaben nur folgerichtig. Denn gerade seine Historie unterscheidet den Dresdner Kulturpalast grundlegend von anderen neuen Konzertsälen wie etwa der Elbphilharmonie in Hamburg.

Zwar verbirgt sich hier hinter der alten Spiegelfassade nun ein Konzertsaal auf akustischem Topniveau, der auch den Ansprüchen internationaler Spitzenorchester gerecht wird. Das Gesamtkonzept des Hauses folgt jedoch auch in Zukunft dem Grundgedanken eines kulturellen Zentrums für alle, das die Stadtbibliothek und das Kabarett Herkuleskeule einschließt – und mit einem breit gefächerten Programm von Schlager bis Klassik am 28. April seine Türen öffnet. Auf wunderbare Weise knüpft das Nutzungskonzept damit sogar an die ursprünglichen Pläne von 1959 an. Und gerade diese besondere Verbindung aus Erinnerung und Erwartung, aus Historie und Gegenwart macht den Kulturpalast zu einem Herzensort für alle Dresdner.

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Ein Kommentar

  1. Als ich letztens auf dem Neumarkt war, hörte ich einen Mann zu seiner Frau sagen : „Das einzig häßliche hier ist der Kulturpalast.“ Wahrscheinlich (hoffentlich) war das kein Dresdner. Ich bin froh über den architektonischen Bruch und finde, er gehört unbedingt und genau so in das städtische Herz. Schön, dass der Kulturpalast bald wieder offen ist für alle. Danke für den guten Artikel.

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