Schneckenspaß mit Earl Grey und Marlborough

„Sherlock Holmes“ schnüffelt jetzt am Boulevardtheater Dresden

Es ist Nacht in Eastwick. In der gemütlichen Bibliothek eines herrschaftlichen englischen Hauses liegt der alte Earl tot auf dem Sofa, während der Regen an die Fenster des Wintergartens prasselt. Da kann eigentlich nur einer helfen: Der seit 130 Jahren bekannte Meisterdetektiv „Sherlock Holmes“ ermittelt nun auch am Boulevardtheater Dresden. Das Buch zu dem furiosen Fall mit dem Untertitel „… und die Schnecken von Eastwick“ (Fotos: PR/Robert Jentzsch) stammt aus der Feder von Michael Kuhn – in der Regie von Olaf Becker entsteht daraus eine wundervolle Theaterhommage an den großen Ermittler aus England.

Flugs reist dieser samt seines Gehilfen Watson an, die vorlaute Haushälterin Mrs. Hudson stürmt hinterher, und befördert die Leiche erst einmal in den Wintergarten. Eine Tasse Tee, die der Earl offenbar vor seinem Ableben noch trank, gibt Rätsel auf. Und auch die Damen des Hauses sind nicht ganz von ohne. Die Witwe Countess of Eastwick (Dorothee Krüger) rief statt der Polizei lieber den berühmten Privatdetektiv und gibt sich würdig distanziert. Ihre Mutter, die Countess of Marlborough (Monika Hildebrand) hat den Earl schon seit seiner Kindheit tief ins Herz geschlossen. Und auch das Hausmädchen Melody (Sarah Gebert) sowie die Köchin Yasmina (Ilona Raytman) sind in tiefer Trauer um ihren charmanten Hausherren.

Mit englischer Mystik hat Olaf Becker wirklich nicht gespart: Das Bühnenbild von Marlis Knoblauch gibt die Pracht einer herrschaftlichen Landvilla wider, die Kostüme von Michael Wolf sind wie aus dem Film und Andreas Goldmann hat dem Stück sogar eine Ouvertüre mit melancholisch schottischem Sound komponiert. Wer da nicht sofort den Geschmack von Earl Grey auf der Zunge spürt, ist selber schuld. Und dann dieser Sherlock! Boris Schwiebert scheint in seiner Rolle wie aus dem Roman gestiegen. Er blickt kritisch ins Publikum, gibt sich grüblerisch und besonnen. Das ganze Gegenteil des quirligen Dr. Watson, den René Geisler als dynamischen Chaoten mit Erzählerqualitäten zeigt.

Doch allein mit einem atmosphärischen Ausflug nach England ist es am Boulevardtheater natürlich nicht getan. Ein bisschen Musik, Rosen und eine Prise Kitsch sorgen für Abwechslung auf der Bühne. Die Ensembleleistung ist famos: Katrin Jaehne bringt sogar Sitcom-Spaß ins Spiel, indem sie Sherlocks Hauswirtin Mrs. Hudson in eine durchgeknallte „Nanny“ verwandelt. Dorothee Krüger erscheint eher gemessen in der Rolle der feinen Witwe. Sarah Gebert und Ilona Raytman sind als Hausmädchen und Köchin selbst im wilden Zickenkrieg noch entzückend. Während Monika Hildebrand als alte Countess of Marlborough den rauen Charme einer Queen of England verströmt – und mit ihrem Sprachfehler (f statt w) nicht nur auf „East(f)wick“ für Lacher sorgt.

Dazu serviert Olaf Becker Tee, Kartoffeln und Krokodils-Geschichten. Kurz vor der Pause inszeniert er sogar eine kleine Pyjama-Party mit verführerischen Ladys, denn eines steht von Anfang an fest: Der alte Earl war gewiss kein Kostverächter! Woran der exzellente Rosenkenner und Schneckenexperte nun also starb, wollen alle wissen – und dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Gärtner auf. Da hat der gute Sherlock das Spiel aber schon fast durchschaut. Nur wenig später weiß denn auch der letzte im Publikum, wer hier wen vergiftet hat und was die seltenen Schnecken damit zu tun haben. Das Stück ist nach zwei heiteren Stunden aus, der Saal tobt – wieder einmal. Edgar Allen Poe und Sir Arthur Conan Doyle wären gewiss stolz, wenn sie sehen könnten, wie ihr berühmter Sohn „Sherlock“ das Publikum auch heute noch zu begeistern vermag.

„Sherlock Holmes und die Schnecken von Eastwick“ am Boulevardtheater Dresden, wieder am 13.2., 14.2., 27.2. und 28.2. sowie vom 2. bis 6.3.2017

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