Bachadaption mit Schaubudencharme

Die Serkowitzer Volksoper unterhält trotz seichter Story exzellent mit Bach

Die Sänger sind zu teuer, deswegen hat der werte Schauspieldirektor im Zirkuswagen in der Saloppe in diesem Jahr lebensechte Puppen engagiert. Kunst kostet eben – und wer das Publikum begeistern will, muss sich zu helfen wissen. „Präludium und Unfug – ein Sandwich nach Johann Sebastian Bach“ heißt das neue Stück (Foto: PR/Robert Jentzsch) der Serkowitzer Volksoper, mit dem Regisseur Wolf-Dieter Gööck dieses Mal in keckem Humor den König der Barockmusik auf die Schippe nimmt.

„Intellektuellengetöse“ habe man dabei nicht zu erwarten, erklärt der Chef im schwarzen Zylinder in dem an Goethes Vorspiel auf dem Theater erinnernden Vorgeplänkel – und stellt direkt mal klar: „Nur Oper ist das Wahre!“, doch sei man hier nicht auf dem Grünen Hügel. Dann lässt er noch einen verkorksten „Zauberlehrling“ vom Stapel, bevor sich knatternd der rote Vorhang öffnet und die barock bepuderten Perückenfigürchen nach vorne tanzen.

Dorothea Wagner, Cornelius Uhle, Marie Hänsel (v.l.n.r.) Fotograf: Robert Jentzsch | rjphoto.de Bitte beachten: Die Verwendung der Pressebilder ist nur mit Quellenangabe (Nennung des Fotografen) zulässig. Fehlt die Quellenangabe bzw. der Name des Fotografen, gilt die Verwendung als nicht lizensiert mit der Folge eines doppelten Vergütungsanspruchs des Fotografen sowie der Kostenfolgen aus dem Anspruch auf strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Marie Hänsel, Dorothea Wagner und Cornelius Uhle erzählen musikalisch und mimisch in schönster Schaubudenmanier die Geschichte einer Familie, die ihre liebe Not mit der Habgier der Obrigkeit und auch mit dem kaffeesüchtelnden Töchterlein hat. In bitter süßer Ironie verwoben wird jedoch bald klar, dass Habgier und Sucht nach mehr nicht nur auf Staat und Tochter zutreffen. Denn bald schon labt sich die Mutter nimmersatt am Sauerkrautbuffet, während der Vater einen Wein-Krug nach dem nächsten leert. Bis dahin gibt es viel zu schauen und zu lachen, fast episodenhaft erzählt sich das Stück, immer wieder unterbrochen von kurzen Auftritten des Schauspieldirektors, der seine Puppen natürlich ab und an ölen und programmieren muss.

Bachfest im September inspirierte zum Stück

Das Publikum sitzt dicht gedrängt unterm Plexiglasdach und lacht herzhaft, vor allem, wenn die Puppenspule klemmt und die drei plötzlich rückwärts singen. Das sind Momente, die auch über die sechs Aufführungen hinaus noch lange im Kopf und Herz bleiben werden, zumal die Mimik der drei Sänger einfach zum Niederknien köstlich ist. Mit so viel Freude aller Beteiligten an der Sache lässt sich freilich auch manche Schwäche im Stück trefflich überspielen. Denn dieses Mal mixt Wolf-Dieter Gööck nicht zwei Opern zu einem Serkowitz’schen Gesamtkunstwerk, sondern lässt die eher sachte Story auf dem Bodensatz der eigentlich nicht szenischen „Kaffee-“ und „Bauernkantate“ von Johann Sebastian Bach gedeihen. Anlass dafür bot das Bachfest im September, in das die letzte Vorstellung des Stückes am Kabarett Breschke und Schuch integriert ist.

Mehr Unterhaltung als ernster Barock

Viel Bach bleibt bei dieser fröhlich-leichten Bearbeitung für sommerlichen Schaubudenspaß in der Saloppe freilich nicht übrig. Doch das stört eigentlich auch niemanden. Unterhaltung ist das oberste Gebot, luftig, sommerfrisch, und leicht verdaulich – schließlich sind wir ja nicht in Bayreuth. Milko Kersten hat den Bach für ein pfiffiges Drei-Mann-Orchester plus Sänger arrangiert und mit allerlei Eigenkreationen gewürzt. Da klingt kurzzeitig sogar eine Strophe von Abba durch. Warum auch nicht? Erlaubt ist, was gefällt – und nicht nur mit dem Sängerensemble hat Wolf-Dieter Gööck einen guten Griff getan. Um Milko Kersten am Keyboard reihen sich mit Florian Mayer und Luise Haugk zwei Musiker, die es einfach drauf haben, spielerischen Spaß mit ernsthafter Qualität zu verbinden.

Präludium und Unfug, Serkowitzer Volksoper

Die Violine von Florian Mayer klingt immer wieder in warmen Klangschattierungen und verleiht dem Abend das notwendige Quäntchen Opernkolorit. Luise Haugk kann dies mit ihrer Oboe und zum Schluss auch mit einem flott geflöteten „Air“ von Bach noch ironisch konterkarieren. Der Grundton der Musi nad Labem jedoch bleibt überwiegend im barocken Charakter, nicht stilecht, doch voller musikalischem Hintersinn. Was stört es da, dass die Story sich zum Schluss beinahe selbst überholt, freudig von Vers zu Vers hüpft, am Ende gar verlegen eiert? Die Unterhaltung ist in diesem Ensemble perfekt. Die Kostüme, die Coco Ruch dazu entwarf, mit den Kaffee-Tassen-Perücken, Reifröcken, Trenchcoat-Ärmeln sind einfach entzückend. Der Charme der alten Zirkuswagenbühne bleibt einmalig und am Ende der eineinhalbstündigen Vorstellung hat man fast vergessen, dass die Bänke so hart und beengt sind wie eine Heringsdose. Der Applaus schallt am Ende der Premiere jubelnd über den Elbhang. Man wird ihn an den kommenden Wochenenden dort wohl noch öfter unterm Hubschraubergedröhn klatschen hören. Sommertheater, was willst Du mehr?

Termintipp: „Präludium und Unfug – Ein Sandwich nach Johann Sebastian Bach“ an der Serkowitzer Volksoper, wieder am 21.8., 28.8., 4.9., 11.9. und 18.9. in der Saloppe sowie am 25.9. im Rahmen des Bachfestes im Kabarett Breschke und Schuch

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