Wo Bücher lebendig werden …

Buchmesse-Livebericht – Klappe die Zweite:

ARD Forum Leipziger BuchmesseGestöbert: Freitag, den 18.3.2016, 10.20 Uhr
Der zweite Tag auf der Leipziger Buchmesse ist gewöhnlich entspannter, weil ich mich ein wenig mehr treiben lasse. Ich fange in Halle 3 an und mache ein paar interessante Beobachtungen. Die ARD verteilt blaue Tüten an ihrem Forum. Was da wohl drin ist? Die freundliche Verteilerin antwortet mit einem Lächeln: „Noch nichts , Sie dürfen die Tüte auf der Messe selbst füllen.“ Ich gehe ebenfalls lächelnd weiter. So sieht das also aus, wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen präsentieren. Zum Glück sind ihre Programme, meistens zumindest, nicht genauso leer wie ihre Tüten!

Bloggerlounge Buchmesse LeipzigGebloggt: am Freitag, den 18.3.2016, 11.30 Uhr
In Halle 5 präsentieren sich unter anderem EBook-Verlage und Selfpublishingverlage. Ich sacke zwei Prospekte ein (die ich erfahrungsgemäß später wieder ungelesen wegwerfen werde) und ziehe weiter. Aha, ganz hinten ist sie: Die Buchmesse Bloggerlounge. Offenbar hat man in Leipzig aber das Prinzip Bloggen noch nicht ganz verstanden. Man will mich nämlich nicht reinlassen, weil meiner Eintrittskarte das charakteristische B fehlt. Ich bin als Freie Journalistin angemeldet, nach dem Blogger-B wurde ich nicht gefragt. In einem kurzen Gespräch versuche ich der Hüterin des Loungeeingangs zu erklären, dass das ziemlich dumm ist, weil viele Journalisten auch bloggen und ich ihr sogar meine Seite zeigen könne. Als ich sie bitte, dies an die Messe weiterzugeben, lässt sie sich zu einer Ausnahme hinreißen. Ich betrete die Lounge, sehe viele Leute im Gespräch, Netzwerke, ein Kaffeestand und WLAN. Mehr hat die Lounge gerade nicht zu bieten. Also ziehe ich weiter.

Tell-MagazinEntdeckt: am Freitag, den 18.3.2016, 12.30 Uhr
Anselm Bühling, Sieglinde Geisel und Claus Heck haben mit dem Onlinemagazin „Tell“ eine Art Literaturfeuilleton der Zukunft gestartet, das sie nun auf der Buchmesse vorstellen. Tell ist ein Magazin für Literatur, Kritik und Zeitgenossenschaft und eine ganz clevere Idee im Zeitalter des viel beschrienen digitalen Wandels. Die Gründer wollen das Portal zu einem literarischen Salon im Netz etablieren, ein Zentralorgan der Literaturkritik, bei dem jeder mitschreiben darf, egal ob Journalist, Autor oder Übersetzer. Ziel ist es, das Medium Internet so zu nutzen, wie es die großen Verlage bislang wenig oder noch gar nicht tun – als ein Netzwerk, das auch dem Austausch dient und in dem unkonventionelle Formen der Literaturkritik wachsen dürfen. „Ich möchte damit mehr Menschen für die Literatur erreichen“, sagt Mitbegründerin Sieglinde Geisel. Sie möchte dazu etwa Gedanken von Leuten, die sich mit Literatur beschäftigen, ausgraben und online stellen, sagt sie. Alle eingehenden Texte werden redigiert und diskutiert, den Ideen seien keine Grenzen gesetzt, so die Erfinder. Wie sie ihre Texte wirklich internetaffin aufbereiten können, dazu fällt ihnen aber offenbar wenig ein. Vielleicht muss das ja auch einfach erst wachsen. Und dafür wird natürlich Geld gebraucht, denn Tell soll zwar kein profitorientiertes, aber ein leserfinanziertes Magazin werden. Mit Hilfe von Fundraising soll der Salon wachsen, so wie es in Amerika bei ganz vielen ähnlichen Projekten schon gut funktioniert.

Café EuropaZugehört: am Freitag, den 18.3.2016, 13 Uhr
Auch wenn der Literaturbetrieb meist langsam tickt, die Diskussion über aktuelle Themen darf auf einer Buchmesse nicht fehlen. Und keine Diskussion ist gerade so aktuell und emotional so aufgeladen, wie die um die „Flüchtlinge in Europa – Europa und die Flüchtlinge“. Im Café Europa auf der Buchmesse widmen sich Christine Langenfeld, Basil Kerski und Stefan Jonsson eine ganze Stunde lang vor den prall gefüllten Zuschauerreihen diesem Thema. Ihr Gespräch ist wohltuend vielschichtig, von Vernunft und klaren Worten geprägt – und zählt sicher zu den gelungensten Veranstaltungen der ersten beiden Messetage. Vom neuen Nationalismus in (Ost-)Europa, bis hin zu der Frage, wie Migranten eine Gesellschaft verändern, schneidet dieses Gespräch alle Themen an, die in der Kürze der Tagesschaunachrichten oft zu kurz kommen. Der einhellige Konsens der Teilnehmer: Die Debatte um die Integration müsse generell neu geordnet, in neue Bahnen gelenkt und auch differenzierter geführt werden. Integration von Fremden sei nicht mit deren Assimilation gleichzusetzen, noch bedeute sie die totale Aufgabe der eigenen kulturellen Verbindungen. Man müsse aber auch lernen, dass Flüchtlinge eben kein Wirtschaftsfaktor seien, und nicht jeder Migrant einen Hochschulabschluss und beste Qualifikationen mit nach Deutschland bringe. Arbeit, Bildung und politische Mitwirkung müssen daher das Ziel der Integration sein – die Voraussetzung dafür ist das Erlernen der Sprache. Es braucht eine europäische Lösung, denn ein auseinander dividiertes Europa wäre fatal.

Leipziger BuchmesseDas Fazit nach zwei Messetagen: durchwachsen! Zwar gibt es wie immer ganz viele spannende Geschichten, interessante Recherchen und mitreißende Schicksale, die sich in den Neuerscheinungen dieses Frühjahrs in fünf Messehallen aufblättern lassen. Das Programm ringsum jedoch ist dieses Jahr nicht ganz so spannend wie bei den vergangenen Buchmessen. Die Wahl zwischen verschiedenen Lesungen oder Veranstaltungen zur gleichen Zeit fällt dadurch dies Mal weniger qualvoll aus. Besonders am Donnerstag blieben in den Leseinseln noch zahlreiche Plätze leer. Auch die Promidichte scheint in Leipzig 2016 eher gering. Das übergeordnete Thema der Integrationsdebatte in Europa ließ dafür ein paar schöne Diskussionen blühen und hätte ruhig noch ein bisschen präsenter auf den Bühnen sein dürfen. Schön ist die immer stärkere Wahrnehmung von Bloggern auf der Messe, die am Sonntag in einer richtigen Konferenz gipfelt. Dennoch: Ich hatte zwei sehr schöne Tage und freue mich schon wieder aufs nächste Jahr. 🙂

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