Akrobatik auf vier Saiten

Hörtipp des Monats: Florian Mayer „Mein Paganini“

Paganini ist der Mythos virtuoser Geigenkunst schlechthin, Ikone und geheimnisvoller Hexer zugleich. Der Dresdner Violinist Florian Mayer hat dieser schillernden Musikerpersönlichkeit mit seiner neusten CD „Mein Paganini“ einmal mehr die Ehre erwiesen – und eine sehr persönliche, musikalisch-literarische Jagd nach dem Mythos des Teufelsgeigers eingespielt.

Die Aufnahme ist Zeugnis und Ergebnis seines Meisterkonzerts auf Schloss Albrechtsberg im März 2015. Verquickt mit (teils selbst geschriebenen) Texten und Gedichten über Paganini, die Liebe, das Leben und die Musik begibt sich Mayer hier auf eine temperamentvolle Entdeckungsreise zu seinem „persönlichen Paganini“. Abgesehen von der Zugabe sind alle Musikstücke an dem Abend auf Schloss Albrechtsberg aufgenommen worden, was ihnen eine besonders schwungvolle Authentizität verleiht. Die Texte hat Mayer für die CD neu sortiert und im Studio selbst eingesprochen.

So entsteht eine Mischung aus Konzert und musikalischer Lesung, ein sehr persönliches Experiment, mit spielerischer Leidenschaft vorgetragen. Musikalisch ist es in der Tat ein wilder Teufelsritt durch die rauen, lodernden Klangfarben der Violine, den Florian Mayer teils mit rasenden Griffwechseln in einer schwindelerregenden Rasanz antreibt. Technisch vollführt er dabei kleine Kunststückchen auf der Geige, gewürzt mit lockeren Improvisationen, Zwischenrufen, Trampeln, voll interpretatorischem Temperament.

Paganinis Capricen ist jeglicher schwelgerische, verträumte Charakter fremd. Mayers Spiel wirkt wild und ungezähmt, voller Leidenschaft lässt er seine Geige auch mal schrammen und ratzen, seufzen und quieken, verzichtet ganz auf künstliche Glättungen, sondern setzt auf Natürlichkeit des Klangs. Und mittendrin in diesem Experiment aus Musik und Sprachmelodie setzt er gar jazzige Intermezzi, schlägt etwa mit dem Bogen den Corpus seines Instruments oder modelliert Napoleons Einmarsch mit stampfendem Fuß – und mischt seinem musikalisch-literarischen Vortrag so auch noch eine Prise Schauspielerei bei.

Die Texte spiegeln den Klangcharakter der kurzen, schlanken Musikstücke auch sprachlich wider, sie zischen mal warnend vom Größenwahn, säuseln sehnsuchtsvoll von der Liebe, treiben trappelnd den Teufelsritt an – immer mit poetischem Bezug zu Mayers Musik, zu „seinem“ musikalischen Verhältnis zu Paganini. Die Aufnahme wird so zum kammermusikalischen Gesamtkunstwerk, mit dem Mayer die Zuhörer auf eine vielseitige, immer wieder überraschende Reise durch die Geigenliteratur schickt und auf seine ganz eigene, experimentelle Art eine virtuose Hommage an den Mythos Paganini kreiert.


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