Barocke Retrospektive

Hörtipp des Monats: La Folia Barockorchester

Vor nicht allzu langer Zeit hat das La Folia Barockorchester im Palais im Großen Garten eine CD aufgenommen – und zusammen mit Jan Vogler Vivaldis Cello-Werken zu neuem Ruhm verholfen. Nun legt das von Robin Peter Müller gegründete Ensemble ein eigenes Scheibchen vor, auf dem das Orchester Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ sowie eine Weltersteinspielung von Brescianellos Violin Concert in C-Dur präsentiert.

Der Aufnahmeort ist abermals jenes barocke Palais – und nicht nur akustisch passend, sondern auch eine Reminiszenz an jene Zeiten ab Ende des 17. Jahrhunderts, in denen hier im Großen Garten unter Friedrich August II. fulminante Feste gefeiert wurden. Jene Zeit also, als die Dresdner Hofkapelle allmählich über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde und man den Geiger Johann Georg Pisendel, ab 1712 erster Violinist in Dresden, auf Staatskosten ein Jahr nach Venedig schickte, damit er von Antonio Vivaldi lernen möge, mit dem ihn eine enge Künstlerfreundschaft verband. Anschließend verbreitete Pisendel Vivaldis damals moderne Spieltechniken am Dresdner Hof. – Wo also sonst sollte man eine CD einspielen, die eben jene barocken Techniken mit neuem Leben erfüllt, als im Palais im Großen Garten?

Tatsächlich spielt das La Folia Barockorchester Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ ganz anders, als man sie kennt. Das hat nichts mit den geglätteten, heutigen Interpretationen zu tun, die gemeinhin für volle Konzertsäle sorgen. Lebendig und auch ein bisschen wild erscheint die Spielart von La Folia, nicht so voluminös im Klang, wie man es von modernen Instrumenten gewohnt ist, eher expressiv, scharfkantig und sehr klar in den dynamischen Abstufungen. Das Orchester schöpft den besonderen Höreindruck nicht nur aus der Verwendung historischer Instrumente, seiner Interpretation liegt auch die Reproduktion des Erstdrucks zu Grunde. Die Violine klingt deutlich höher. Die Musiker spielen teils in rasender Geschwindigkeit und lassen etwa im „Sommer“ richtige Wirbelwinde aufbrausen, um wenig später einen sehr farbigen, rauen Herbststurm anzuzetteln. Das wirkt fast schon poetisch in seiner starken Bildhafthaftigkeit.

Das Konzert von Guiseppe Antonia Brescianello, der ebenfalls als Violinist in Venedig tätig war, ist da schon deutlich gefälliger arrangiert. Im zweiten Satz weist es fast lyrische Passagen auf, der dritte ist von einer geradezu sprühenden Lebendigkeit geprägt, in der man die Spielfreude der Musiker klar hören kann. Brescianellos Werk stammt aus einer 1738 in Amsterdam erschienenen Sammlung mit sechs Konzerten und sechs Sinfonien, die auch an den Dresdner Hof gelangten. Die Werksammlung befindet sich ebenso im bekannten Dresdner „Schranck Nr. II“, dem die Dresdner Musikfestspiele mit dem Festspielorchester 2013 ein ganzes Werkstattkonzert im Palais im Großen Garten widmeten.

Als Schlusspunkt setzt das La Folia Barockorchester nun auf seiner CD mit Vivaldis violin concerto „Il grosso mogul“ in D-Dur denn noch einmal den „wilden Venezianer“. Der lebhafte Violinpart sprengt alle Grenzen, gibt der Improvisation und solistischen Selbstdarstellung extrem viel Raum – und bildet damit den passenden Schlussakkord die unkonventionelle Jahreszeiten-Einspielung zu Beginn. Alles in allem eine strahlende, wenn auch durchaus streitbare, Aufnahme, die man sich nicht entgehen lassen sollte.


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