Ein riesiges Fest für alle Chöre

Vor 150 Jahren weilten 12.000 Sänger in Dresden

Der 25. Juli gehört zu den historischen Tagen für Dresden – nur kaum einer weiß das. Denn kaum jemandem in der Stadt ist bekannt, dass vom 22. bis zum 25. Juli 1865 das aller erste Deutsche Sängerbundesfest an der Elbe in Dresden gefeiert wurde. Es war eine exorbitante Veranstaltung, zu der sämtliche Gesangsvereine aus Deutschland sowie deutsche Sängerbünde aus St. Petersburg, Liverpool, Budapest, Paris, New York, Philadelphia, Lyon und Pennsylvania in der Stadt weilten. Ausgangspunkt war die Gründung des ersten Deutschen Sängerbundes im Jahr 1862 in Coburg. Das Fest drei Jahre später in Dresden war sozusagen das erste Verbandstreffen der Sänger überhaupt.

Festhalle Sängerbundesfest Dresden
Festhalle Sängerbundesfest 1865.

Die Entscheidung für die Stadt Dresden als Austragungsort zündete bei den Beteiligten damals „wie ein Blitz – und von allen Seiten erscholl der Ruf: in Dresden soll das erste Deutsche Sängerbundesfest begangen werden“, ist in den Chroniken zu lesen. Der Aufwand, der zur Organisation dieses Festes in der Stadt damals betrieben wurde, war – auch aus heutiger Sicht betrachtet – enorm. Kein geringerer als Ernst Giese, der einst den Dresdner Hauptbahnhof entworfen hatte, wurde mit dem Entwurf der riesigen, hölzernen Festhalle betraut, die für die rund 12.000 Sänger für das Fest vorübergehend am Waldschlösschen erbaut wurde. Rings herum hatte man ein Zeltdorf errichtet, in dem es den Sängern nahezu an nichts fehlte. Selbst ein Frisiersalon und ein Souvenirgeschäft waren dort vor Ort. Für die Verpflegung sorgten neben der Waldschlösschen-Brauerei gleich nebenan auch namhafte Wirte und Geschäfte in Dresden wie Rauscher-Delicatessen, Körners Weinzelt oder Renners Kaufhaus.

Die Firma Villeroy und Boch hat Souvenir-Teller anlässlich des ersten Deutschen Sängerbundesfestes in Dresden hergestellt. Jeder Sänger bekam zudem ein kleines, grünes Gesangbuch mit den Texten der Lieder und einen groben Ablaufplan überreicht. Wie bedeutsam dies Großveranstaltung für alle Beteiligten war, das zeigt auch eine Chronik, in der detaillierte Tagesberichte sowie die Reden aller Anwesenden minuziös aufgezeichnet sind. So begrüßte der erste Oberbürgermeister von Dresden, Wilhelm Pfotenhauer (1812–1877) die Sänger in seiner Stadt und sogar König Johann von Sachsen (1801–1873) wohnte dem bunten Treiben an der Elbe bei.

Weihe Bundesbanner Sängerbundesfest Dresden
Weihe des Bundesbanners, 1865

In die Vorbereitungen waren zudem zahlreiche namhafte Dresdner involviert: Der Komponist und Kreuzkantor Julius Otto (1084–1877) komponierte Lieder für das Fest, der Maler Ludwig Richter (1803–1884) gestaltete die Gästekarten und Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) bemalte die Paravents in der Festhalle mit prachtvollen Bildern. Als Symbol für den Deutschen Sängerbund wurde in Dresden zudem das Sängerbundesbanner geweiht, das mit Ölmalerei auf Seide und Leinen sowie mit rotem Samt und goldenen Stickereien der Bundesadler ziert – Symbol für die Hoffnung auf eine Deutsche Einheit, die auch in den Liedern immer wieder deutlich wird. Die Fahne war übrigens über den Zweiten Weltkrieg verschollen. Sie ist nun im Silchermuseum Weinstadt-Schnait zu besichtigen.

Doch auch die Realisierung des Sängerbundesfestprogramms war mit riesigem Aufwand verbunden. Für die Aufführungen an den Festtagen und auch für den großen Festumzug quer durch die Stadt waren mehrere Sänger-Ausschüsse verantwortlich und auch die Bürokraten der Stadt arbeiteten auf Hochtouren. Als Ordnungskräfte wurden auch Knaben im zarten Alter von 14 Jahren eingesetzt. Festführer, Festordnung und Marschordnung füllen ein weiteres Buch, das sicher auch den Sängern ausgehändigt wurde. Die zogen am 24. Juli 1865 von 14 Uhr bis weit nach 19 Uhr in einem riesigen Festumzug von der Prager Straße über die Wilsdruffer Straße, den Altmarkt, zum Neumarkt, zur Dreikönigskirche, die Hauptstraße entlang, hoch zur Bautzner Straße und schließlich zum Festgelände am Waldschlösschen. Dort, wo die Festhalle und das Zeltdorf auf die Sänger warteten, soll sich schon damals eine der schönsten Aussichten des Landes befunden haben.

Festumzug auf der Augustusbrücke, 1865
Festumzug auf der Augustusbrücke Dresden, 1865

Vom ersten Deutschen Sängerbundesfest an fand dieses große Ereignis regelmäßig an wechselnden Orten statt. Nur Dresden war spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg als Austragungsort des Ganzen vergessen. Bis heute treffen sich der Deutsche Chorverband – als größter Laienchorverband der Welt – und seine Mitglieder meist im Abstand von vier Jahren, um gemeinsam zu musizieren. Seit 1976 werden diese Treffen jedoch nicht mehr als Sängerbundesfeste, sondern als Deutsche oder Bundes-Chorfeste bezeichnet. In Dresden erinnert bis heute allein die kleine Sängereiche auf der Dresdner Sängerwiese am Fuße der Waldschlösschenbrücke an den Beginn dieser Tradition hier in der Stadt. Sie wurde der Stadt 1865 vom Zöllnerbund aus Leipzig geschenkt und an diese Stelle gepflanzt. Heute, 150 Jahre danach, soll zudem das Dresdner Sängerarchiv an die Bürger der Stadt übergeben werden. Susanne Knaack hat dieses Archiv mit etwa 500 Exponaten über Jahre in Antiquariaten zusammengetragen und möchte es für Dresden in eine Stiftung überführen.


Historische Fotos/Bilder: Dresdner Sängerarchiv

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