Revuen, die das Leben schreibt

Catch Me If You Can

Jannik Harneit als Frank Abagnale

„Catch Me If You Can“ an der Staatsoperette Dresden

Das muss man erst mal schaffen: Eine Schadenssumme in Höhe von rund 2,5 Millionen US-Dollar hat der Amerikaner Frank William Abagnale (*1948) als Jugendlicher in den 60er Jahren mit Hochstapelei verursacht. Als Pilot, Arzt und Anwalt gab er sich aus – und betrieb in diesen Rollen Scheckbetrug im großen Stil. Zum Dank dafür wurde er zum Protagonisten in Steven Spielbergs Film „Catch Me If You Can“ (2002) mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks in den Hauptrollen. Sieben Jahre später schrieben Terrence McNally, Marc Shaiman und Scott Wittman das passende Musical zum Film. An der Staatsoperette Dresden (Fotos: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) feierte dieses nun deutsche Erstaufführung.

In der Hauptrolle singt und tanzt hier der Jungstar Jannik Harneit, der mit seinen 25 Lenzen in der Partie des Abagnale wohl den bisher größten Coup in seiner Gesangskarriere gelandet hat. Ob er wirklich, wie zuvor von der Presse beschrieben, der Dresdner Leonardo DiCaprio ist, darf bezweifelt werden. Auf jeden Fall gelingt es Harneit, mit sicherer Stimme und großer Präsenz, dem flunkernden Lebemann Abagnale Charme, emotionale Tiefe sowie unbeschwerte Kindlichkeit einzuhauchen.

Hochstapelei als Selbstinszenierung

Den starken Widerpart dazu gibt im Stück der ehrgeizige FBI-Agent Carl Hanratty, der Abagnale über Monate hinweg durch die US-Bundesstaaten verfolgte und mit ihm nun auf der Bühne um die beste Story zu wetteifern scheint. Der Bariton Nikolas Gerdell zeigt Hanratty als herrlich spröden Zeitgenossen. Er verfügt über die nötige gesangliche Reife und Coolness, um sich überzeugend als erfahren-kantiger Kauz mit Herz und schnarrender Stimme von Harneits verspieltem Helden abzuheben, zudem schöpft er bei der Gestaltung der Rolle großzügig aus seinem Erfahrungsschatz als Synchron- und Hörbuchsprecher.

Im Wechselspiel der beiden zeigt Regisseur Werner Sobotka das Leben des Hochstaplers als eine riesige Selbstinszenierung im Gewand einer bunten Fernsehshow. Die knallige 60er Jahre Kulisse hat Walter Vogelweiser ursprünglich für das Wiener Theater in der Josefstadt angefertigt, für die Inszenierung der Staatsoperette wurde sie nun auf Leubener Verhältnisse zugeschnitten. Bunte Ballette markieren die Stationen von Abagnales Hochstaplerkarriere in Cockpit, Krankenhaus und Anwaltskanzlei, ohne dass es großer Szenenwechsel auf der Bühne bedarf. Für die schnittigen Choreografien, die auch aus einer modernen Fernsehrevue stammen könnten, zeichnet Simon Eichenberger verantwortlich.

Damit die Handlung in Schwung bleibt, haben die Musicalautoren gewisse Parallelen zwischen Abagnale und Hanratty erfunden: Beide sind in tiefstem Herzen einsame Unglückliche, denen ihr Katz- und Mausspiel Ablenkung von der aus einer zerbrochenen Familie resultierenden Enttäuschung verschafft. Nicht mal Krankenschwester Brenda kann Abagnale heilen. Als sie erfährt, dass er ein Hochstapler ist, sitzt er schon in der Falle. Olivia Delauré bezaubert als Brenda und erinnert an einen unschuldigen Engel, wenn sie mit klarer Stimme von Liebe singt, die auf einer Lüge gebaut ist.

Musik setzt auf lockere Bigband-Rhythmen

Die Musik, die Marc Shaiman dazu schrieb, ist schmissig und im Swing-Stile der 60er Jahre gehalten. Sie kommt erstaunlich gut ohne die typischen Musicalattitüden aus, setzt stattdessen lieber auf lockere Bigband-Rhythmen. Peter Christian Feigel führt das Orchester der Staatsoperette Dresden mit Schwung durch diese Partitur und nutzt die Vorteile der großen Bandbesetzung gekonnt aus. Bis auf ein paar Längen zu Beginn, die in erster Linie großen Erzählpassagen zwischen Abagnale und Hanratty geschuldet sind, beschert das Stück drei herrlich unterhaltsame, musikalisch erfreuliche und optisch abwechslungsreiche Theaterstunden.

So hat die Hochstapelei dieses Frank William Abagnale am Ende doch – nicht nur für das Publikum – ihr Gutes gehabt. Im wahren Leben begann der Hochstapler übrigens nach seiner vorfristigen Haftentlassung (wegen guter Führung) mit ehrlicher Arbeit sein Geld zu verdienen: Er wurde als Experte für gefälschte Dokumente beim FBI wohl durchaus recht reich und gründete ganz ohne Lüge ein echtes Unternehmen namens Abagnale & Associates, wie Wikipedia erzählt.

„Catch Me If You Can“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 22.2., 24.2., 25.2., 19.30 Uhr

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