Beklemmende Aussicht auf brennende Ruinen

Yadegar Asisi gewährt den Blick auf „Dresden 1945“

Die Orientierung fällt schwer in diesem traurigen Panorama aus zerstörten Häusern, Kirchruinen und von Schutt bedeckten Straßen. Yadegar Asisis Blick auf „Dresden 1945 – Tragik und Hoffnung einer zerstörten Stadt“ im Panometer Reick ist wahrhaft schonungslos. So schonungslos, dass er echte Dresdner fast zu Tränen rührt. Vom Rathausturm schaut man auf die zerbombte Stadt. Als markante Punkte blieben nach dem Angriff am 13. und 14. Februar 1945 allein die ausgebrannte Kreuzkirche, die schon eingestürzte Frauenkirche und die Zitronenpresse auf dem Dach der Kunstakademie. An manchen Stellen steigen noch Rauchschwaden in den Himmel, woanders brennt lichterloh das Feuer.

So sah es aus vor 70 Jahren. Die Stunde Null in Dresden. Zwischen den Trümmern hat Asisi einige Leichen gemalt, manche halb verschüttet. Woanders flüchten Menschen mit einem kleinen Koffer unterm Arm aus den Trümmern. Am Zoo fliegen – als einziger bunter Hoffnungsschimmer im Bild – zwei Papageien durch die Ruinen Dresdens. Die Bilder sind hinlänglich aus den Geschichtsbüchern bekannt, doch gewährten diese ausschnitthaften Momentaufnahmen bislang nie einen solchen brachialen Rundumblick auf das Ausmaß des Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg.

In Kooperation mit dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden hat Asisi für seine beindruckend wie bedrückende Arbeit zuvor Unmengen an Recherchematerial, die Fotografien und Dokumente von über 70 Privatpersonen sowie Zehntausende historische Abbildungen gesichtet, um die Zerstörung im Maßstab 1:1 in seinem Kunstwerk zu dokumentieren. Eine Ausstellung zeigt beim Aufgang auf die Aussichtsplattform Dresdner Schicksale, die von der Bombennacht geprägt wurden. Unten geht es – auch das darf nicht vergessen werden – um weitere zerbombte Städte, wie Coventry, Hamburg, Stalingrad und Warschau.

Eric Babak hat zu dem traurigen Anblick der von Schutt und Asche bedeckten Ruinenlandschaft eine dezente Geräuschkulisse geschaffen, die Bedrückung spürbar, doch erträglich macht. Das Dröhnen des Bombenhagels wird zu flackerndem Licht sacht angedeutet, das sirenenhafte Rauschen der Stunde Null kommt hier gut zum Ausdruck. In diese Stimmung hat er klassische Musikfetzen hineingebewebt, die an den Nimbus Dresdens als Kulturstadt erinnern, aber auch Hoffnung andeuten. Nach ein paar Runden auf der Plattform, fällt die Orientierung so langsam etwas leichter. Da ist das Hygienemuseum, da hinten brennt der Münchner Platz – vielleicht ging es den Dresdnern damals ähnlich, als sie zum ersten Mal durch die zerstörte Stadt liefen.

„Dresden 1945 ist mein Beitrag, um über die Schöpferkraft und Abgründe des Menschen, über die grausame Logik und den Wahnsinn des Krieges in der Welt nachzudenken. Dresden steht für die Tragik und die Hoffnung einer Stadt in Europa, die in nur wenigen Momenten ausgelöscht wurde“, sagte Yadegar Asisi über sein Kunstwerk. Genaue Opferzahlen – um die ja seit Jahren kontrovers diskutiert wird – erscheinen beim Anblick desselben zweitrangig. Kaum von der Hand zu weisen ist allerdings, dass auch Dresden im Nationalsozialismus nicht unbedingt eine Insel der Engel war. Die begleitende Ausstellung zum Panorama führt auch mit solch unbequemen Fakten auf das Inferno hin.

Wie oft erinnert man heute etwa noch daran, dass der herrliche Theaterplatz im Nazi-Deutschland einmal Adolf-Hitler-Platz hieß oder dass Dresden die erste Stadt war, in der Bücher brannten? Zugegeben: Der heute oft gescholtene Mythos von der Opferstadt blendet das tatsächlich lieber aus. Doch muss man beim Anblick von Asisis 3000 Quadratmeter großen Panoramarundblick über das zerstörte Dresden am Ende zweifelsohne feststellen, dass es im Krieg immer nur Opfer, niemals Sieger geben kann.

Info: Asisi „Dresden 1945 – Tragik und Hoffnung einer zerstörten Stadt“ bis 31. Mai im Panometer Dresden, dann wieder zu Jahresbeginn 2016 – geöffnet Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag, feitertags 10 bis 18 Uhr

Linktipp: www.asisi.de

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