Die Faszination einer Diktatorin

Evita an der Staatsoperette Dresden

Olivia Delauré ist Evita Peron.

„Evita“ an der Staatsoperette Dresden

Sie ist so streitbar wie schillernd, diese Eva Duarte. Als Mädchen einer armen argentinischen Familie sicherte sie sich früh die Gunst der Männer in einflussreichen Positionen und stieg an der Seite des Generals Juan Perón zur First Lady des Landes auf. Dort wird sie bis heute nahezu wie eine Heilige verehrt. Es ist wohl schwer zu sagen, ob die Sucht nach Ruhm oder tatsächlich der Wille, etwas für die armen Menschen im Lande zu tun, sie antrieb. Doch trotz oder wegen aller Ambivalenz rückten Andrew Lloyd Webber und Tim Rice diese Eva Perón 1974 ins Rampenlicht ihres Musicals „Evita“, das 1987 an der Staatsoperette Dresden seine Erstaufführung in der DDR feierte. Regisseur Winfried Schneider hat es nun in einer Neuinszenierung zurück auf die Leubener Bühne geholt.

Er zeichnet weder ein süßlich-verklärtes noch ein gänzlich negatives Bild der Eva Perón, sorgt dabei aber für einen überaus glamourösen und unterhaltsamen Abend mit vielen schönen Regieideen. Da tanzen herrliche Ballette im Tango- und Militärschritt übers Parkett, bevor Videoprojektionen mit schwarz-weißen Originalaufnahmen aus der Perón-Diktatur über die Bühnenwand (Bühne: Roy Spahn) flimmern. Ausgediente Liebhaber werden in einer Reihe von Türen vor selbige gesetzt und in ein prachtvolles weißes Sissy-Kleid gehüllt hält Evita ihre berühmte Ansprache „Don’t cry for me, Argentina“ (Foto: PR/ Kai-Uwe Schulte-Bunert). Am Ende schwebt die längst zur Ikone gewordene First Lady von ihrer schweren Krankheit gezeichnet und in eine Art glitzerndes Spinnennetz verstrickt gen Himmel.

Das alles gestaltet den Abend so abwechslungsreich und stimmungsvoll, dass es eine Freude ist, zuzusehen. Olivia Delauré gelingt es in der Premiere, die Wandlung der Eva Perón zur eleganten, klug taktierenden Lady wunderbar in Szene zu setzen. Wer noch Madonnas Interpretation von „Don’t cry for me, Argentina“ aus der Musicalverfilmung von 1996 im Ohr hat, der wird von ihr nicht enttäuscht. Obgleich Delauré eher in ruhigeren, langsamen Partien überzeugt, in den schrillen Höhen fehlt es ihr oft an stimmlicher Kraft.

Bryan Rothfuss kann als Juan Perón mit seinem durchdringenden Bariton stets überzeugen, hat allerdings in der Rolle des eher passiven Ehemanns, der seine Karriere ganz den propagandistischen Geschicken seiner Eva verdankt, nicht viel Raum, dies auch zu entfalten. Als einzige Gegenfigur von Eva tritt so allein der Mittler im Stück, Arbeiter Ché, auf. Dieser erzählt Evitas Lebensgeschichte im Musical wie in einer Rückschau, greift als kritisch faszinierter Zeitzeuge auch in die Handlung ein. Marcus Günzel gibt diesen berichtenden Zyniker mit einer großen Portion Showtalent, fühlt sich gesanglich jedoch in den liedhaften Mittellagen hörbar am wohlsten.

Nicht nur musikalisch, sondern auch darstellerisch überraschen in der Premiere zudem zwei Randfiguren. So erntet Hauke Möller als Evas erster Geliebter Magaldi absolut verdient gleich den allerersten Szenenapplaus. Und Julia Steingaß gelingt als Peróns verstoßene Geliebte mit dem Lied „Du nimmst den Koffer wieder in die Hand“ gesanglich wie darstellerisch eine der entzückendsten Szenen des Abends. Peter Christian Feigel führt das Orchester der Staatsoperette Dresden dabei mit gutem Gespür für stimmungsvolle und ruhigere Passagen. Wirken die ersten Takte noch ein bisschen zu laut und aufbrausend, so findet er bald das richtige Maß für die Dynamik und entwickelt eine angenehm ausgewogene Interpretation, die auf allzu übertriebene Akzente verzichtet.

Die ambivalente Figur der Eva Perón wird an der Staatsoperette somit in all ihren Facetten, vor allem aber als glamouröse Lady mit Herz für die Armen und Schwäche für Luxus wie Macht, gezeigt – und dies gelingt auf der Bühne, ohne, dass das typisch leichte Musicalfeeling dabei verloren geht.

„Evita“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 8.7., 9.7., 10.7., 11.7, 12.7. und 17.10., 18.10., 19.10.2014

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