„Verstummte Stimmen“ an der Semperoper

Dresdner Theater erinnern an Nazi-Zeit

An der Dresdner Semperoper und dem Staatsschauspiel wird am Sonntag (15. Mai) eine geschichtsträchtige Ausstellung zum einem bislang in der Öffentlichkeit fast unerwähnt gebliebenen Thema eröffnet. Sie widmet sich der „Säuberung“ an deutschen Opernhäusern und Theatern im Nationalsozialismus. Die Ausstellung namens „Verstummte Stimmen“ nimmt dabei sowohl auf Gesamtdeutschland als auch speziell auf Dresden Bezug. Sie wird bis zum 13. Juli am Staatsschauspiel und an der Oper zu sehen sein. Der Eintritt ist frei.

Historiker Hannes Heer, Musikjournalist Jürgen Kesting und Gestalter Peter Schmidt realisierten diese Ausstellung seit 2006 bereits an den Staatsopern in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Darmstadt. Gezeigt wurden dort – und nun auch in Dresden – das Schicksal von 44 prominenten Künstlern. Ergänzt wird das Ganze von einer lokalen Fallstudie, in der die Geschichte der Vetreibung an den Dresdner Staatstheatern rekonstruiert wird. Diese begann am 7. März 1933 mit einem spektakulären Akt auf der Bühne der Semperoper, als der Schauspieler Alexis Posse deren Leitung für abgesetzt erklärte und als kommissarischer Generalintendant die vollziehende Gewalt an beiden Häusern übernahm. Träger der Aktion war die schon Ende 1930 von Posse und Franz Heger, einem Maskenbildner der Semperoper, gegründete »Theaterfachgruppe der NSDAP«, die sich die Befreiung der Staatstheater von der »Beherrschung durch Fremdrassige« zum Ziel gesetzt hatte und im März 1933 mindestens 275 Mitglieder zählte.

Die »Säuberung« in den Ensembles von Oper und Schauspiel erfolgte in Etappen.1933 wurden neben sieben Mitgliedern der Leitung auch elf Angehörige des künstlerischen und 18 des technischen Personals entlassen. An den Privattheatern wurden mindestens sechs Künstler gekündigt. Nach den »Rassegesetzen« von 1935 mussten fünf Angehörige der Orchesterschule das Institut verlassen, zwei Ensemblemitglieder wurden wegen ihrer »gemischtrassischen« Ehe verfolgt. Von den 49 Vertriebenen waren 18 Juden. Die Mehrzahl der Opfer überlebte in Deutschland, 14 gelang die Flucht ins Exil, drei wurden deportiert und ermordet Jenny Schaffer und Otto Bernstein in Auschwitz, Arthur Chitz bei Riga. Das Schicksal von vier Vertriebenen ist unbekannt.

Auch auf andere Weise wird sichtbar, dass die Staatstheater im »Dritten Reich« keine Inseln des Wahren, Schönen und Guten waren. An der Oper arbeiteten ab 1941 mindestens 20 ausländische Arbeiter, darunter auch drei ukrainische Zwangsarbeiter. Nach Erinnerungen ehemaliger Ensemblemitglieder waren auch polnische und italienische Zwangsarbeiter im Einsatz. Auch am privaten Albert-Theater konnten Zwangsarbeiter nachgewiesen werden.

Ermöglicht wurde die Ausstellung unter anderem durch das Landesprogramm »Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz«. Ebenfalls unterstützt wurde das Ausstellungs- und Forschungsprojekt durch die Landeshauptstadt Dresden: »Die Ausstellung ist ein wichtiger Impuls, um die Erinnerung wachzuhalten, die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser dunklen Zeit, auch ganz konkret in Dresden, zu suchen und Lehren für unsere Kinder und das Morgen zu ziehen, so wie bereits Fritz Busch sagte: ›Es ist noch wichtiger, sich anständig zu benehmen, als gute Musik zu machen‹ «, so der Erste Bürgermeister Dirk Hilbert. (NL)

Öffnungszeiten Oper: 16. Mai bis 1. Juli: Mo-Sa, 11-13 Uhr

Öffnungszeiten Staatsschauspiel: 16. Mai bis 13. Juli: täglich ab 12 Uhr bis nach Vorstellungsende bzw. an vorstellungsfreien Tagen von 12-18 Uhr

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